Neue Zürcher Zeitung (CH), 14.08.2000

Kaum Ernteerträge wegen Trockenheit im Irak

Viehverkauf zu Schleuderpreisen

ber. Kairo, 13. August

In Bagdad kann man in diesen Tagen äusserst preisgünstig Fleisch kaufen. Das ist allerdings kein Zeichen für eine vermehrte Einfuhr in den Irak, über den seit dem Golfkrieg strenge Sanktionen durch den Uno-Sicherheitsrat verhängt sind. Vielmehr treiben Bauern, Nomaden und Händler aus der Umgebung ihre Schafe und Rinder in die Stadt, bevor sie verhungern und verdursten. Im gesamten Irak herrscht Dürre; seit Ende 1997 hat es nicht mehr geregnet. In Gegenden um Städte wie Mosul am Tigris oder Al-Haditha am Euphrat, die früher als Kornkammern des Iraks galten, liegen die Felder seit über zwei Jahren brach. Früher wurde hier erfolgreich Regenfeldbau betrieben, ausserdem wurden mit Hilfe der beiden grossen Flüsse Obstgärten und Gemüsefelder bewässert. Der irakische Vertreter der zur Uno gehörenden Food and Agriculture Organization (FAO) meint, dass es sich um die schlimmste Trockenheit im Irak in den letzten hundert Jahren handle. In diesem Jahr werde sie mindestens 75 Prozent der zu erwartenden Ernte zerstören. Nur bewässerbare Felder würden noch bepflanzt werden, doch auch hier fielen die Erträge parallel zum Wasserspiegel des Euphrats und des Tigris. Nicht nur die beiden grossen Ströme, sondern auch die übrigen Flüsse im Irak führten und führen in den Jahren 1999 und 2000 nur noch 40 Prozent der durchschnittlichen Wassermenge der letzten 10 Jahre.

Immer mehr Dämme
Die FAO hat kürzlich einige Statistiken zur landwirtschaftlichen Produktion im Irak veröffentlicht. Danach ist der Weizenertrag bereits vor der jetzigen ausgeprägten Dürre, nämlich in den Jahren 1995-1997, um einen Sechstel gefallen. Der irakische Landwirtschaftsminister, Dalali, sieht einen der Gründe dafür in den Dämmen, die flussaufwärts in Syrien und in der Türkei immer zahlreicher würden. Ihre Präsenz wirke sich im Irak vor allem in regenarmen Jahren aus, erklärte Dalali kürzlich am irakischen Fernsehen. Bereits Mitte der neunziger Jahre hätten die durchschnittlichen Niederschlagsmengen markant abgenommen. Weiter verschärfe sich das Wasserproblem durch den Mangel an Maschinenausrüstung, Dünger und Spritzmitteln. Das Uno-Sanktionskomitee, so sagte der Landwirtschaftsminister, verzögere den Abschluss von Kaufverträgen für 3700 Sprinkleranlagen absichtlich. Diese habe der Irak innerhalb des Abkommens «Öl gegen Lebensmittel» vor mehreren Monaten bestellt.

Der Irak importierte vor der Verhängung der Sanktionen 70 Prozent seiner Nahrungsmittel. Seine Bevölkerung von 23 Millionen Menschen benötigt pro Jahr rund 3 Millionen Tonnen Weizen. Bei der Verhängung des Embargos entwickelte das irakische Landwirtschaftministerium den ehrgeizigen Plan, sich weitgehend selbst zu versorgen und dazu die ländliche Infrastruktur durch Neulandgewinnung und die Einführung moderner Anbaumethoden auszubauen. Während zuerst die Importbeschränkungen das hoch gesteckte Ziel immer schwerer erreichen liessen, hat nun die anhaltende Trockenheit vollends einen Strich durch die irakische Rechnung gemacht.