Berner Zeitung (CH), 14.8. 2000

Exportrisikogarantie für Ilisu-Staudamm
Verletzung des Völkerrechts?

Die Schweiz verstiesse mit einer Exportrisikogarantie für das Ilisu-Kraftwerk in der Türkei gegen das Völkerrecht. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten, in Auftrag gegeben von der «Erklärung von Bern». Die Entwicklungsorganisation «Erklärung von Bern» (EvB) setzt den Kampf gegen das Staudammprojekt im Südosten der Türkei mit einem unabhängigen Gutachten fort. Gemäss diesem von der Freiburger Professorin Astrid Epiney verfassten Gutachten verstösst die Türkei mit dem Bau des Staudamms nicht nur gegen das Gebot der angemessenen Nutzung gemeinsamer natürlicher Ressourcen, sondern auch gegen das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen sowie gegen das Gebot von Information und Konsultation. Sollte die Schweiz auf Grund dieser Sachlage die Exportrisikogarantie im Umfang von 470 Millionen Franken dennoch definitiv gewähren, würde sie Beihilfe zu diesen Verstössen des türkischen Staates leisten und damit ihrerseits das Völkerrecht missachten. Laut EvB müssten wegen dem Stausee zudem rund 20 000 Menschen im kurdischen Südostanatolien zur Umsiedlung gezwungen werden. Die beiden benachbarten Staaten sowie die Arabische Liga hatten mehrmals gegen das Projekt protestiert.

Kurzfristige Interessen
Die EvB ruft den Bundesrat auf, von der Gewährung dieser Risikogarantie abzusehen. Die Schweiz könne es sich nicht leisten, wegen kurzfristigen Wirtschaftsinteressen das Völkerrecht zu verletzen, teilte die EvB am Sonntag in einem Communiqué mit. Roberto Balzaretti, Völkerrechtsexperte im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten, sagte in einem Interview mit der «SonntagsZeitung», die Bundesbehörden bestritten den Vorwurf der Beihilfe zur Völkerrechtsverletzung. Die Beihilfe gebe es im heutigen Völkerrecht nicht. Balzaretti sprach aber von einem sehr guten Dokument einer renommierten Professorin.

Sulzer Hydro federführend
Das Ilisu-Kraftwerk soll von einem internationalen Konsortium unter Federführung der Firma Sulzer Hydro gebaut werden. Beteiligt sind auch ABB Schweiz sowie weitere europäische und drei türkische Firmen. Die Kosten für den Bau belaufen sich insgesamt auf 1,5 Milliarden Dollar. Das Gesamtengagement der Schweizer Exportrisikogarantie betrage rund 850 Millionen Dollar, sagte Rigassi-Schneeberger. Die definitive Erteilung der Garantie erfolgt erst nach Abschluss der laufenden Vertragsverhandlungen. Auch in England, Deutschland, den USA und weiteren Ländern ist die Gewährung von allerdings bescheideneren staatlichen Garantien hängig.ap/sda