junge Welt, 11.08.2000

Kommentar

Gratis-Antifa Die Kampagne gegen rechts bleibt kostenlos

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Norbert Hocke hat am Donnerstag die laufende Kampagne von Parteien und Medien gegen rechte Gewalt trocken kommentiert: »Die öffentlich bekundete Entrüstung paßt nicht zur real praktizierten Politik in Ländern und Kommunen.« Sein Resümee von gerade laufenden Aktionen zur Kürzung von finanziellen Mitteln für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Bundesländern endet mit der Schlußfolgerung, die Jugendpolitik müsse mit deutlich mehr Geld ausgestattet werden.

Das wäre zweifellos eine Voraussetzung. Allerdings: Was sollen die Betreuer, Erzieher, Lehrer den ihnen Anvertrauten beibringen? »Der traditionelle Antifaschismus greift als identitätsstiftende Mobilisierungsidee gegen rechts nicht mehr, weil er auf dem Glauben an einen objektiven historischen Fortschritt in der Geschichte und damit auf der Zuversicht beruhte, die Aufklärung müsse auf Dauer über das >ewig Gestrige< obsiegen«, doziert Richard Herzinger repräsentativ in der heutigen Ausgabe der »Zeit«. Daher war der »traditionelle Antifaschismus« in der alten Bundesrepublik vermutlich zumeist verboten oder unbekannt, standen einschlägige Filme und Bücher aus der DDR unter Zensur. Welcher Lehrer wagt es, sich auf etwas zu berufen, was auch von angeblich Wohlmeinenden als »verordnet« dem Totalitarismusgespenst übereignet wurde?

Der jüdische Antifaschist Fritz Teppich hat heute im Interview mit junge Welt Elementares zur Kontinuität von Rassismus und Antisemitismus in der Bundesrepublik gesagt. Ergänzt sei hier noch: Massiver Sozialabbau und die Formierung einer neuen rechten Jugendkultur gehen seit über zwei Jahrzehnten zunächst in Westdeutschland und erst recht seit dem Anschluß der DDR Hand in Hand. Wer kapitalistischen Sozialdarwinismus in reiner Form praktiziert und die Forderung nach sozialer Gleichheit faktisch zum Kriminalfall erklärt, stiftet jene Gewalt, die er selbst tagtäglich als angebliches ökonomisches Naturgesetz, als »Moderne« exekutiert.

Hockes Forderung nach mehr Geld wird folgenlos bleiben. Solange Antifaschismus sich nicht rechnet, bleibt er in der Bundesrepublik ein Fall für Verfassungsschutz und Polizei. Das gilt auch für die andere Seite: Solange die Nazis nichts kosten, dürfen sie z. B. bei der Abschaffung von Asylbewerbern und bei der des Asylgesetzes mitwirken. Gefährden sie den Profit, werden sie mit Hilfe von Kerzen und Bild eingeschüchtert. Sollten sie Rendite versprechen, werden sich genügend Sponsoren finden.

Arnold Schölzel