junge Welt, 11.08.2000

Chávez will OPEC einen
Präsident Venezuelas besucht den Irak trotz Isolation.
Scharfe Kritik der USA.


jW-Bericht

Kaum zwei Wochen nach seiner Wiederwahl besucht der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, derzeit die Mitgliedsländer der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC). Als Höhepunkt der Reise, die derzeit durch den Nahen und Mittleren Osten führt, traf Chávez am Donnerstag im Irak ein. Mit dem offiziellen Besuch empfängt Bagdad den ersten Staatschef seit dem Golfkrieg 1991.

Chávez' Besuch steht im direkten Zusammenhang mit dem für den 27. September geplanten OPEC-Gipfel in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Nach eigenen Angaben will der erklärte Gegner neoliberaler Politik die Regierungschefs der Länder des Ölförderkartells persönlich zu dem Gipfel einladen, der ein Meilenstein in der Reorganisierung der OPEC werden soll. Venezuela will vor allem den Einfluß der Vereinigten Staaten in der Petroindustrie zurückdrängen.

Auf diesem Weg wird Venezuelas Präsident, dessen Land derzeit die Präsidentschaft der OPEC inne hat, noch viele Hürden überwinden müssen. Noch am Mittwoch war der Emir Kuwaits, Jabir Al Ahmad Al Jabir, bei Chávez' Ankunft in dem Nachbarland des Irak wegen der Bagdad-Visite demonstrativ vom Flughafen ferngeblieben. Der Golfkrieg hatte sich 1991 an der Invasion irakischer Truppen in Kuweit, einem Verbündeten der US-Regierung, entzündet. Ungeachtet dessen erklärte der Südamerikaner Chávez nach einem Treffen mit dem Emir, Venezuela wolle das solidarische Band mit den anderen OPEC-Ländern enger knüpfen. Chávez betonte zudem die »Notwendigkeit einer gemeinsamen Strategie, um das Gleichgewicht auf dem Ölmarkt zu erhalten und gerechte Preise für >unsere Öl< zu verteidigen«.

Dabei bewegt sich Chávez auf dünnem Eis. Sich dessen bewußt, reiste er in Anbetracht des Flugverbotes am Donnerstag auf dem Landweg in den Irak. Die venezolanische Delegation traf am Morgen bei El Mundhariya, rund 200 Kilometer östlich von Bagdad, im Irak ein, wo er von Vizepräsident Taha Yassin Ramadan und mehreren Ministern empfangen wurde. Anschließend flog er mit dem Hubschrauber in die irakische Hauptstadt, wo ihn Saddam Hussein erwartete.

Bagdad bereitete dem Gast einen begeisterten Empfang. Die großen Tageszeitungn lobten die »mutige Entscheidung«, in das international isolierte Land zu reisen. Die Zeitung al-Iraq kommentierte: »Der Präsident Venezuelas stellt die Sanktionen nicht nur in Frage, er wäre auch in den Irak gekommen, wenn er auf einem Kamel hätte reisen müssen.« Trotz aller Begeisterung gilt es als extrem unwahrscheinlich, daß Hussein Ende September an dem Gipfel in Caracas teilnimmt - zu groß ist die Kluft zwischen dem Irak und den anderen OPEC- Mitgliedern. Viele von ihnen profitieren von dem Embargo gegen den Irak.

Die Vereinigten Staaten verurteilten die Reise als »unverdiente Legitimierung des Regimes von Saddam Hussein«. Unmut herrscht in Washington auch über einen möglichen Besuch in Libyen. Der Sprecher des US- Außenministeriums, Richard Boucher, nannte es »besonders empörend«, daß ein demokratische gewähltes Staatsoberhaupt der erste Staatschef sei, der den Irak seit 1991 besuche. Die sei ein Indiz für die »dubiose ntwicklung« Venezuelas.

Der Außenminister des südamerikanischen Landes, Jose Vicente Rangel, wies die Kritik der USA umgehend zurück: »Dies ist eine souveräner Akt des Staatsoberhauptes eines souveränen Staates«, erklärte er. Zuvor hatte sich Chávez in einer ersten Stellungnahme nachdrücklich dagegen verwahrt, daß die Vereinigten Staaten gegen die Souveränität verstoßen, »um anderen Staaten ihre eigenen Interessen aufzuzwingen«.

Die Erdölpolitik birgt zunehmend Konfliktpotential im Verhältnis zu den USA. Noch kurz vor den Wahlen hatte sich Chávez Mitte Juli der Forderung der Vereinigten Staaten verweigert, die Exportrate entsprechend den Bedürfnissen des US-Marktes zu steigern. Im iranischen Rundfunk erklärte Chávez unlängst, es sei Zeit, daß die OPEC ihre Macht zeige.