Süddeutsche Zeitung, 10.8.2000

Aktuelles Lexikon Beschleunigtes Verfahren

Zur effizienteren Bekämpfung des Rechtsextremismus werden jetzt auch "Schnellgerichte" gefordert. Tatsächlich gibt es bei der Aburteilung von einfacher und mittlerer Kriminalität bereits das Strafbefehlsverfahren und das beschleunigte Verfahren. Letzteres wurde Ende 1994 reformiert und in der Strafprozessordnung neu geregelt. Es wird angewandt, wenn es um einfache Sachverhalte und klare Beweislagen geht. Zentrale Bedingungen eines normalen Strafverfahrens fallen weg: die schriftliche Anklage, die zwingende Ladung des Beschuldigten, der Eröffnungsbeschluss des Gerichts und vor allem die Vernehmung von Zeugen. Es genügt die Verlesung von Niederschriften früherer Vernehmungen oder der Erklärungen von Behörden. Die drastische Verkürzung des Beweisaufnahmerechts sowie die nur noch beschränkte Rechtsmittelkontrolle riefen Kritik hervor. Das beschleunigte Verfahren ist nur vor dem Amtsgericht zulässig. Maximal darf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt werden. Ob es zu einem solchen Verfahren kommt, hängt von einem Antrag der Staatsanwaltschaft ab. Nur dann kann das Gericht "sofort oder in kurzer Frist" die Hauptverhandlung abhalten. Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet im beschleunigten Verfahren, anders als sonst, ein Verteidiger mitwirken muss, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten zu erwarten ist.

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