Berliner Zeitung, 9.8.2000

MAHLOW
Familie Özbek erhält Polizeischutz

Stefan Ehlert

MAHLOW. Mit drastischen Maßnahmen hat das Polizeipräsidium Potsdam auf Berichte über ausländerfeindliche Vorfälle in Mahlow (Landkreis Teltow-Fläming) reagiert. Bereits am gestrigen Dienstag wurde erstmals seit zwei Jahren am Bahnhof die mobile Polizeiwache wieder eingerichtet. Ab sofort zählt die Gemeinde zudem zum Schwerpunkteinsatzgebiet der Mobilen Einsatzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (Mega). Das teilte Polizeisprecher Geert Piorkowski auf Anfrage der "Berliner Zeitung" mit.

Inzwischen hat der Potsdamer Staatsschutz die Ermittlungen gegen einen jungen Mann aus Mahlow an sich gezogen. Er war am Freitag wegen Beleidigung und Bedrohung eines türkischstämmigen Nachbarn angezeigt worden. "Wir vermuten einen ausländerfeindlichen Hintergrund", sagte der Polizeisprecher.

Anlass der polizeilichen Initiative waren Beschwerden der türkischstämmigen Familie Özbek in Mahlow. Die Özbeks hatten sich am Wochenende über ständige Anfeindungen durch rechtsgerichtete Jugendliche beklagt. Vor zwei Jahren zog die Familie von Kreuzberg nach Mahlow, kurz hinter die Berliner Stadtgrenze. Seitdem sind Mitglieder der Familie nach ihren Angaben ständig mit Beleidigungen wie "Knoblauchfresser", "Kanake" oder "Türkenschlampe" konfrontiert, vornehmlich auf dem Vorplatz des Bahnhofs, wo sich abends häufig rechtsgerichtete Jugendliche treffen. Am heutigen Mittwoch will sich die Ausländerbeauftragte des Landkreises Teltow-Fläming in Mahlow mit der Familie Özbek treffen

Polizei weiß nichts vom "Klub 88"

"Wir nehmen die jetzt bekannt gewordenen Vorfälle sehr ernst", sagte der Polizeisprecher. Sie seien bezeichnend für das Klima im Land, auch wenn sich statistisch gesehen die Zahl politisch motivierter Straftaten verringert hätte. Sie sank in diesem Jahr im Präsidiumsbereich Potsdam um ein Drittel auf bislang 56 Fälle. Das 8 200 Einwohner zählende Mahlow ist nach Einschätzung der Polizei im Gegensatz etwa zu Königs Wusterhausen kein Zentrum organisierter Rechtsextremisten. Nach Erkenntnissen des Staatsschutzes gibt es in Mahlow keine rechtsextremen Rädelsführer, sondern nur eine lockere Szene. "Die Rädelsführer sitzen nach dem Anschlag auf den dunkelhäutigen britischen Bauarbeiter Noel Martin im Gefängnis", sagte Bettina Cain, die Sprecherin des Innenministeriums.

Von einem "Klub 88" in Mahlow wissen weder Polizei noch Verfassungsschutz. Im Frühjahr bestand für kurze Zeit ein entsprechender Treffpunkt im Heimstättenweg am Bahnhof. Das bestätigen Einwohner des Ortes. 88 steht für die Buchstaben HH und bedeutet in rechtsextremen Kreisen "Heil Hitler".