Kölnische Rundschau, 10.8.2000

Schleppermafia immer brutaler
International operierende Banden statt nebenberuflichen Menschenschmugglern

Von Thomas Migge Rom.
Die zunehmend menschenverachtenden Aktionen von Angehörigen der Schleppermafia gegen Polizisten und illegale Einwanderer, die in mehreren Fällen in die Adria geworfen wurden und elend ertranken, haben die italienische Anti-Mafia-Polizei dazu veranlasst, den Typus des Schleppers genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis: Nicht mehr die einst nebenberuflich agierenden Menschenschmuggler hauptsächlich albanischer Herkunft dominieren seit geraumer Zeit das Geschäft, sondern international operierende Berufsverbrecher, die vor nichts mehr zurückschrecken. Die kriminellen Helfer der illegalen Einwanderer sind professionell und wesentlich brutaler geworden. Wie der Bericht der Anti-Mafia-Polizei feststellt, wird der kriminelle Sektor der Schleppermafia heute nur noch zum Teil von albanischen Hobbyschmugglern bestimmt. Zunehmend spielen beim Menschenhandel im östlichen Teil des Mittelmeers und in der Adria Montenegriner, Bulgaren und Türken die entscheidende Rolle. Sie arbeiten eng mit der albanischen und italienischen Mafia zusammen, die die "Kunden" in Italien in Empfang nehmen und auf der Halbinsel nach Norditalien oder Nordeuropa weiterführen. Üblich sei, dass die Schleppermafia zum Transport der Illegalen nach Italien Kapitäne bevorzugt, die drogenabhängig und deshalb besonders gefügig sind. Diese werden von ihr mit harten Drogen versorgt und würden, so die Polizei, wesentlich mehr als andere Seeleute riskieren, um an den ihnen für die Fahrten zugesagten Stoff zu kommen. Um eine Überfahrt zu einem für sie erfolgreichen Ende zu führen, seien sie ohne weiteres zu skrupelloser Gewalt gegen die ihnen anvertrauten Menschen und die italienischen Ordnungskräfte bereit. Die Intensivierung des Menschenschmuggels nach Italien hat nicht, wie zunächst vermutet, zu einer Senkung der Preise für eine Überfahrt von Albanien oder anderen Ausgangspunkten nach Italien geführt. Hatte man bis noch vor wenigen Monaten für eine Überfahrt "nur" einige hundert Mark zu zahlen, so kostet diese heute an die 2000 Mark. Für die Reise asiatischer Flüchtlinge ohne gültige Papiere nach Italien werden bis zu 10.000 Mark verlangt, die bei Einschiffung in der Türkei kassiert werden. Die Tatsache, dass der Menschenschmuggel nicht mehr nur von Albanern dominiert wird, erklärt sich Italiens Polizei mit dem Umstand, dass die osteuropäische Mafia mit dem Schmuggel von Zigaretten nicht mehr so viel verdienen kann wie in der Vergangenheit. Das führte zu einer Verlagerung der kriminellen Aktivitäten. Die Tatsache, so ein Bericht der italienischen Finanzpolizei, dass die Produktion von Kokain in Albanien bei Valone und im Hinterland von Fier inzwischen erstaunliche Größenordnungen erreicht habe, mache es der Schleppermafia leicht, ihre Kapitäne mit dem Stoff zu versorgen. "Akteure in Sachen Drogenkriminalität und illegalem Handel mit Menschen", so meint Mafiaexperte und Parlamentspräsident Luciano Violante, "gehen eine für alle Beteiligten extrem gefährliche Beziehung ein."