junge Welt, 10.08.2000

Solidarität organisieren Kampf gegen Globalisierung im Mittelpunkt des antiimperialistischen Sommercamps in Assisi

Die norditalienische Kleinstadt Assisi ist eigentlich ein Ziel für christliche Pilger. Doch die etwa 400 Menschen, die sich für eine Woche in Assisi versammelten, hatten mit Religion wenig im Sinn. »Von Seattle bis San Vicente Caguàn - Die Revolte gegen das Imperium der Ungerechtigkeit schreitet vorwärts!« - Unter diesem Motto stand das antiimperialistische Sommerlager, das am vergangenen Sonntag beendet wurde.

Unterstützt wurde es von über 20 Gruppen aus aller Welt. Die fünf Tage waren randvoll gefüllt mit Veranstaltungen, bei denen sich wie ein roter Faden die im Aufruf formulierte Frage zog: »Was können wir der Globalisierung und dem neuen Kolonialismus entgegensetzen? Wie die interimperialistischen Widersprüche ausnutzen?«

Delegierte von Befreiungsbewegungen, Guerillagruppen und linken Parteien aus aller Welt stellten sich diesen Fragen. Linke Basisbewegungen aus Mexiko diskutierten ebenso mit wie baskische Kommunisten, sardinische Linksnationalisten, Vertreter der brasilianischen Landlosenbewegung und Mitglieder des Solidaritätskomitees mit den politischen Gefangenen in Spanien.

Norma Binas von der Allianz Bayan schilderte den schwierigen Kampf der Volksbewegung auf den Philippinen. Zwei Vertreter der Europavertretung der DHKP/C (Volksbefreiungspartei/Front) versuchten, ihren Zuhörern mit einer Film-Dia-Vorführung den Kampf der politischen Gefangenen in der Türkei zu vermitteln. Sie berichteten über die Folter und die Mißhandlungen, die dort zum Knastalltag gehören. Zur Zeit bereiten sich die Gefangenen auf neue Widerstandsaktionen gegen die demnächst drohende Einführung der Isolationsknäste vor.

Doch es blieb nicht bei Berichten. Schließlich stand die Organisierung von Solidarität und Widerstand im Mittelpunkt des Camps. Ein Höhepunkt war die Veranstaltung mit einem Vertreter der kolumbianischen FARC-EP. Internationale Solidaritätsaktionen gegen die schleichende militärische Einmischung der USA auf Seiten der kolumbischen Regierung wurden beschlossen. »Brecht das Embargo gegen Jugoslawien« ist der Arbeitstitel einer weiteren Solidaritätsaktion. Für den 21. und 22. Oktober sind internationale Aktionstage gegen das Embargo geplant.

Natürlich hatte das Camp auch seine Gegner. So verhaftete die politische Polizei den chilenischen Teilnehmer Jaime Yovanovic Prieto mittels eines Haftbefehls der Interpol. Erste Solidaritätsaktionen wurden bereits eingeleitet. Die rechtsliberale Tageszeitung Libero hetzte mehrere Tage mit großen Schlagzeilen gegen das »internationale Terroristentreffen«. Ein Senator der postfaschistischen Alliance Nationale forderte gar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der klären soll, warum das Treffen nicht verhindert wurde. »Doch letztlich hat uns diese Öffentlichkeit eher genutzt. Das Interesse der übrigen Medien wurde geweckt«, meinte ein österreichischer Mitorganisator. Auch im nächsten Jahr wird es mit großer Wahrscheinlichkeit wieder ein antiimperialistisches Sommercamp in Italien geben.

Peter Nowak