Frankfurter Rundschau, 10.8.2000

Das türkisch-griechische Traumpaar ist in der Krise

Außenminister Cem riskiert mit Angriffen gegen Athen die Aussöhnung der Erbfeinde

Von Gerd Höhler (Athen)

Sie galten als politisches Traumpaar, als personifizierte Versöhnung zwischen den Erbfeinden Griechenland und Türkei. Doch jetzt scheint sich das Verhältnis zwischen dem griechischen Außenminister Jorgos Papandreou und seinem türkischen Amtskollegen Ismail Cem abzukühlen.

Manche Beobachter sprachen bereits euphorisch von einer "historischen Wende", vom Beginn einer "neuen Ära" in den griechisch-türkischen Beziehungen. Die Erdbebenkatastrophen, von denen beide Länder 1999 heimgesucht wurden, schienen die seit Generationen verfeindeten Völker einander näher gebracht zu haben. Neun bilaterale Kooperationsverträge haben die Regierungen in Athen und Ankara während der vergangenen Monate unterzeichnet. Die eigentlichen politischen Streitfragen, vor allem der Konflikt um die Hoheitsrechte in der Ägäis und die Zypernfrage, klammerte man bewusst aus.

Doch die Aussichten, über die bisher abgeschlossenen Abkommen hinaus zu einer substanziellen Verständigung zu kommen, haben sich jetzt erheblich verschlechtert. In Genf ging vor kurzem die dritte Runde der Gespräche zwischen griechischen und türkischen Zyprern ergebnislos zu Ende. Dass Ankara in der Zypernfrage weiterhin jedes Einlenken ablehnt, dürfte jene in Athen bestärken, die vom Annäherungskurs des Premiers Kostas Simitis und seines Außenministers Papandreou sowieso nichts halten.

Den Skeptikern lieferte der türkische Außenminister Cem neue Munition. In einem Artikel für die italienische Zeitung La Stampa attackierte Cem Griechenland in ungewöhnlich scharfer Form. Athen müsse die Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Minderheiten endlich abstellen und sich den europäischen Rechtsnormen anpassen. Dabei, so Cem mit höhnischem Unterton, werde die Türkei Griechenland gerne helfen - gerade so, als müsse sich Griechenland für den EU-Beitritt qualifizieren und nicht die Türkei. Cems Wandel dürfte vor allem innenpolitische Gründe haben. Seit der türkische Premier Bülent Ecevit im vergangenen Monat seinen Koalitionspartner Mesut Yilmaz zum Staatsminister für Europafragen ernannte, sieht Cem offenbar seine Felle davonschwimmen. Ohnehin war sein Verhältnis zu Ecevit nie besonders gut, obwohl er dessen Partei der Demokratischen Linken angehört. Mit den anti-griechischen Attacken will der ins Abseits geratende Cem sich offenbar auf der politischen Bühne wieder nach vorn spielen. Seinen persönlichen Ambitionen scheint er auch die so hoffnungsvoll begonnene griechisch-türkische Annäherung opfern zu wollen.

Im Athener Außenministerium mehren sich die enttäuschten Stimmen. Griechenland, so heißt es, habe mit der Zustimmung zum EU-Kandidatenstatus der Türkei und der Freigabe europäischen Hilfsgeldes für Ankara eine erhebliche Vorleistung erbracht; aus Ankara dagegen sei bisher nicht einmal eine Geste des guten Willens gekommen.

Seine Männerfreundschaft mit Papandreou stellt Cem mit den jüngsten Angriffen auf eine harte Probe. Ohnehin ist das Verhältnis der beiden Minister offenbar abgekühlt. Schon vor Cems Angriffen hatte Papandreou eine gemeinsame Ägäis-Kreuzfahrt abgesagt - wegen Terminschwierigkeiten, wie es offiziell hieß.