Frankfurter Rundschau 8.8.2000

Beleidigter Premier streckt die Hand zum Frieden aus

Barak hofft auf Rückkehr der Schas-Partei in die Regierung - trotz der Breitseite ihres Gurus

Von Inge Günther (Jerusalem)

Die sechs Millionen Holocaust-Opfer nannte er "wiedergeborene Sünder", die Palästinenser verglich er mit "Schlangen" und Israels Regierungschef bezeichnete er als "hirnlos". Trotz der hanebüchenen Bemerkungen ihres Obergurus, Rabbiner Ovadia Josef, hofft Premier Ehud Barak weiter auf eine Rückkehr der orientalisch-religiösen Schas-Partei in die Regierung.

Man habe keine andere Wahl, als die notorischen Ausfälle seitens Schas zu schlucken, wird in Regierungskreisen befürchtet. Die einfache Arithmetik zeige, dass es ohne die 17 Schas-Abgeordneten kaum eine Chance gebe, den Friedenskurs Baraks zu halten. Bis sich der Sturm der Entrüstung über Josefs Breitseite gelegt hat, wird zwar nicht mit neuen Gesprächen zwischen Schas und dem Premierbüro gerechnet. Doch Josefs Anwürfe sollten etwa nach Ansicht der Einwanderungsministerin Yuli Tamir, "nicht die Koalitionsverhandlungen tangieren".

Der greise Josef versuchte derweil eine Kehrtwende in seinen Betrachtungen der Schoah. Wer beklage nicht den Holocaust, predigte er Sonntagabend. All die von den Nazis Ermordeten seien Heilige und Märtyrer. In seinem Sermon vom Vortag hatte er den Opfern als "Reinkarnationen früherer Sünder" Mitschuld an ihrem Tod attestiert. Schimpf und Schande goss der Rabbi bei dieser Gelegenheit auch über Barak aus; nach Josefs Worten eine "gestörte Person", die den Arabern hinterherlaufe und damit dem israelischen Volk "Schlangen" nahebringe. Der arabische Knesset-Abgeordnete Achmed Tibi hat eine Beleidigungsklage gegen Josef angeregt.

Der 1920 in Bagdad geborene Josef gilt den aus Nordafrika eingewanderten religiösen Juden als eine Art päpstliche Autorität. Wegen seines Einflusses haben ihn Israels Premiers in den vergangenen Jahren hofiert. Seit dem jüngsten Skandal aber mehren sich die Stimmen, ihn nicht mehr ernst zu nehmen. Rabbi Josef, hieß es jetzt in Yediot Achronoth, habe sein moralisches Gewicht verspielt. Mit Leuten wie ihm sei kein Frieden zu machen.

Das Premierbüro soll denn auch mit Faxen aufgebrachter Bürger überschüttet worden sein, die sich gegen ein erneutes Zusammengehen mit Schas wandten.