Stuttgarter Zeitung, 8.8.2000

Schluss mit Freundschaft

Sie haben die Versöhnung zwischen Griechenland und der Türkei geradezu verkörpert. Nun scheint sich das Verhältnis zwischen Griechenlands Außenminister Papandreou und dem türkischen Kollegen Cem aber wieder merklich abzukühlen.

Von Gerd Höhler, Athen

Manche Beobachter sprachen im vergangenen Jahr bereits euphorisch von einer "historischen Wende'', vom Beginn einer "neuen Ära'' in den griechisch-türkischen Beziehungen. Die Erdbebenkatastrophen, von denen beide Länder 1999 heimgesucht wurden, schienen die beiden seit Generationen verfeindeten, sich misstrauenden Völker einander näher gebracht zu haben. Neun bilaterale Kooperationsverträge haben die Regierungen in Athen und Ankara während der vergangenen Monate ausgehandelt und unterzeichnet. Die eigentlichen politischen Streitfragen, vor allem der Konflikt um die Hoheitsrechte in der Ägäis und die Zypernfrage, klammerte man bewusst aus, um den delikaten Prozess der Annäherung nicht von vornherein zu belasten.

Doch die Aussichten, über die bisher abgeschlossenen Abkommen hinaus zu einer substanziellen Verständigung zu kommen, haben sich jetzt erheblich verschlechtert. In Genf ging am Wochenende die dritte Runde der Annäherungsgespräche zwischen griechischen und türkischen Zyprern ergebnislos zu Ende. Dass Ankara in der Zypernfrage weiterhin jedes Einlenken ablehnt, dürfte jene in Athen bestärken, die vom Annäherungskurs des Ministerpräsidenten Kostas Simitis und seines Außenministers Papandreou sowieso nichts halten. Auch in der sozialistischen Regierungspartei gibt es prominente Politiker, die darin einen "nationalen Ausverkauf'' sehen.

Diesen Skeptikern lieferte jetzt der türkische Außenminister Cem neue Munition. In einem vergangene Woche veröffentlichten Artikel für die italienische Zeitung "La Stampa'' attackiert Cem Griechenland in ungewöhnlich scharfer Form. Athen müsse die Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Minderheiten endlich abstellen und sich den europäischen Rechtsnormen anpassen, forderte Cem. Dabei, so Cem mit höhnischem Unterton, werde die Türkei Griechenland gerne helfen - gerade so, als müsse sich Griechenland für den EU-Beitritt qualifizieren und nicht die Türkei. Über die eigenen Demokratiedefizite, die Folterpraktiken und die Kurdenverfolgung ging der Minister großzügig hinweg.

Dass Cem sich nun den Griechen gegenüber plötzlich von der Friedenstaube zum Falken wandelt, dürfte vor allem innenpolitische Gründe haben. Seit der türkische Premier Bülent Ecevit vergangenen Monat seinen Koalitionspartner Mesut Yilmaz zum Staatsminister für Europafragen ernannte, sieht Cem offenbar seine Felle davonschwimmen. Ohnehin war sein Verhältnis zu Ecevit nie besonders gut, obwohl er dessen Partei der Demokratischen Linken (DSP) angehört und dem Premier damit eigentlich näher stehen müsste als der konservative Yilmaz. Mit den antigriechischen Attacken hofft der ins Abseits geratende Außenminister, sich offenbar auf der politischen Bühne wieder nach vorn zu spielen. Seinen persönlichen Ambitionen scheint Cem auch die so hoffnungsvoll begonnene griechisch-türkische Annäherung opfern zu wollen.

Im Athener Außenministerium jedenfalls mehren sich die Stimmen jener, die offen ihre Enttäuschung zum Ausdruck bringen. Griechenland, so sagen sie, habe mit der Zustimmung zum EU-Kandidatenstatus der Türkei und der Freigabe europäischer Hilfsgelder für Ankara eine erhebliche Vorleistung erbracht; aus Ankara dagegen sei bisher nicht einmal eine Geste des guten Willens gekommen. Auch europäische Diplomaten in Athen und Ankara zeigen sich zunehmend irritiert über die starre türkische Haltung.