Frankfurter Rundschau, 7.8.2000

Iranische Illusionen

Die von einigen verkündete Zuversicht, es gebe doch Bewegung, erweist sich angesichts der autoritär-reaktionären geistlichen Führung als Narretei

Von Karl Grobe

Hatte es da nicht Illusionen gegeben über die reformerische Wende in Iran? War nicht diese Wende angesagt, da jetzt das neue Parlament die Arbeit aufgenommen hat, ein Parlament der Reformer, der Anhänger des Staatspräsidenten Khatami? Sollte nicht der Präsident, jetzt einer autoritär-reaktionären Fessel ledig, endlich in der Lage sein, das zu tun, was er immer schon wollte - zivile Freiheiten wiederherzustellen?

Das war wohl nichts. Am Sonntag haben die iranischen Reaktionäre die Möbel gerade gerückt. Sie machten klar, wer das Sagen hat: das Parlament nicht. Es durfte nicht einmal debattieren. Der oberste geistliche Führer, Ayatollah Ali Khamenei, wünscht keine Debatte über die Liberalisierung des Presserechts. Das war von den abgewählten konservativen und reaktionären Parlamentariern verschärft worden bis zu einem Punkt, an dem vielleicht noch von Presse, gewiss aber nicht mehr von Freiheit gesprochen werden kann; ein Abschiedsgeschenk an die vermeintlichen Reformer. Sie haben es annehmen müssen. Protest ist zwecklos.

Dieses Gesetz hat es der von Ultras beherrschten Justiz ermöglicht, den Herzenswunsch der Religionsdiktatoren zu erfüllen: verbieten, was denkt, und verhaften, wer die Frechheit besitzt, Gedanken sogar drucken zu lassen. Seit April sind 22 Publikationen verboten worden. Sie bleiben verboten. Journalisten werden weiter verhaftet, sobald sie der lange Arm dessen fassen kann, was in Iran Gesetz heißt. Hoffnung ist Illusion, die von einigen verkündete Zuversicht, es gebe doch Bewegung, erweist sich als Narretei.