Bremer Nachrichten, 3.8.2000

Prügelanleitung vom türkischen Religionsamt

Von unserer Korrespondentin Susanne Güsten

"Wie man seine Frau am besten schlägt"/Das "Handbuch des Moslems" sorgt für Aufregung

Istanbul. Mancher Türke mag seine Zeitung am Montag besonders genau studiert haben: "Wie man seine Frau am besten schlägt", versprach ein Blatt zu erklären. "Schlagen Sie Ihre Frau ganz zärtlich", riet eine andere Zeitung. Die Presse machte sich mit diesen Schlagzeilen über ein neues Handbuch für Moslems lustig, mit dem die staatliche Religionsbehörde tief ins Fettnäpfchen getreten ist. "Handbuch des Moslems - was jeder über seinen Glauben wissen muss", heißt das von der Behörde herausgegebene Heftchen, das in der Türkei für Empörung sorgt. Im Kapitel "Heirat, Familienleben und Kinder" wird erläutert, wann und wie der Gläubige seine Ehefrau körperlich züchtigen darf. Nicht dass die Türken diese Unterweisung nötig hätten: In Sachen häuslicher Gewalt zählen sie ohnehin zur Weltspitze. Doppelt peinlich ist die Affäre für das Religionsamt aber, weil es sich mit einer großangelegten Kampagne gerade um eine "Modernisierung" des Islam bemüht, die den alten Glauben mit den neuen Maßstäben der Demokratie in Einklang bringen soll. Die Empfehlungen der Religionsbehörde dürften so manchen türkischen Pascha im Glauben an die Rechtmäßigkeit seines Tuns bestärken. Knapp 60 Prozent aller Frauen in der Türkei wurden oder werden von ihren Partnern geschlagen, ergab eine von der Weltgesundheitsorganiation WHO für die UN-Frauenkonferenz im Juni vorgelegte Studie. Besonders locker sitzt die Hand den Männern im wirtschaftlich unterentwickelten Südosten des Landes und in den Armenvierteln der Großstädte, wo einer türkischen Untersuchung zufolge sogar 97 Prozent der Frauen mit häuslicher Gewalt konfrontiert sind. Nur den allerwenigsten dieser Frauen fällt es ein, sich öffentlich über die Schläge zu beschweren oder gar Anzeige zu erstatten: Auch sie halten die rauhen Sitten oft für richtig und schicklich - Schläge in der Ehe in der Türkei.

Für den Chef der Religionsbehörde, Mehmet Nuri Yilmaz, kommt der Fauxpas seines Hauses zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Denn der Glaubenshüter mit Ministerrang hat gerade eine Initiative zur Imageverbesserung für den Islam ausgerufen. "Als moslemisches Land, das den Frauen ihre Rechte zugesteht, ist es unsere Aufgabe, dieses Image aufzupolieren - und das werden wir jetzt tun." Doch bevor Yilmaz sich um das Image des Islam im Westen kümmert, wird er sich mit dessen Auslegung im eigenen Hause befassen müssen.