taz Bremen 3.8.2000

Libanesen? Türken? Scheißegal? Raus!

Kein Abschiebeschutz für kurdische Familie - obwohl die Herkunft ungeklärt bleibt / Leiden müssen auch die Kinder unter einem Eilurteil, obwohl sie teilweise in Bremen geboren wurden

Die Familie E., die von Innensenator Bernt Schulte (CDU) als "falsche Libanesen" eingestuft worden ist, muss trotz eines schwebenden Verfahrens zur Aufenthaltsverlängerung mit ihrer prompten Abschiebung in die Türkei rechnen. Der Grund: Das Bremer Verwaltungsgericht (VG) hat jetzt einen entsprechenden Antrag auf aufschiebende Wirkung abgelehnt.

Die kurdische Familie war 1988 mit gekauften türkischen Papieren nach Deutschland eingereist. Damit beantragte sie Asyl, meldete sich jedoch wenig später in Bremen als Staatenlose aus dem Libanon erneut an (die taz berichtete). Laut Innenbehörde gehört die neunköpfige Familie damit zu einer Gruppe von rund 500 Türken, die sich als Libanesen ausgegeben hätten, um Abschiebeschutz zu erlangen.

Familie E. dagegen besteht darauf, aus dem Libanon zu stammen. Dem VG hat sie eine Reihe von Belegen dafür vorgelegt, um doch noch eine Aufenthaltsverlängerung zu erwirken. Doch das Gericht hat in einem Eilverfahren den Antrag abgelehnt. Im Klartext: Schon bevor im Hauptverfahren die wirkliche Nationalität der Betroffenen geklärt wird, könnten sie in die Türkei abgeschoben werden - obwohl sie das Land nach eigenen Angaben nur von der Durchreise kennen.

Bei seiner Entscheidung ließ das VG die Frage nach der Herkunft weitgehend außen vor: "Der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit im Eilverfahren nicht zu klären ist", heißt es im Gerichtsbeschluss, "stellt keinen Duldungsgrund dar." Dass die Familie die türkische Staatsangehörigkeit besitze, könne "nicht ausgeschlossen werden", äußert sich das Gericht betont vorsichtig. Die Ausweisung halten die Richter dennoch für rechtens: Durch das Verschweigen der kurdischen Herkunft beim ersten Asylantrag hätten die Eltern sich strafbar gemacht und somit ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt. Auch, dass die Innenbehörde trotz laufenden Widerspruchsverfahrens den sofortigen Vollzug der Abschiebung angeordnet hat, beanstandet das Gericht nicht. Da die Familie weiterhin Sozialhilfe beziehe, so das Gericht, überwiege das öffentliche Interesse an der Ausreise das private Interesse der Betroffen - obwohl die seit zwölf Jahren in Bremen leben.

Auch die minderjährigen Kinder müssen nach Ansicht des Gerichts für die Verfehlungen ihrer Eltern mit geradestehen. Die "sich aus der Aufenthaltsbeendigung ergebenden Härten" seien ihren Eltern zuzurechnen. Das gilt offensichtlich auch für die jüngsten drei Familienmitglieder, die in Bremen geboren wurden: Obwohl die Verwaltungsrichter den Kindern keine vorgeburtliche "Täuschung über ihre Identität" vorwerfen wollten, müssen sie sich "doch das Verhalten ihrer Eltern zurechnen lassen".

Auch aus humanitären Gründen mochte das Gericht kein Bleiberecht ableiten. Die E.s hatten argumentiert, dass sie in Bremen zur Versorgung eines behinderten Enkels gebraucht würden. Ein ärztliches Attest genügte aber nicht: Die Richter vermissten Belege dafür, dass der spastisch gelähmte Junge speziell auf die Hilfe seiner Großeltern angewiesen sei.

Sollte die Familie mit ihrer Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht scheitern, könnte das eine Musterentscheidung bedeuten: Die Innenbehörde müsste dann ihre These von den "falschen Libanesen" auch in künftigen Fällen nicht beweisen. Die tatsächliche Herkunft der beschuldigten Gruppe würde auf Dauer ungeklärt bleiben. jank