Frankfurter Rundschau 29.7.2000

Israels zugkräftiger Außenminister denkt über seinen Rücktritt nach

Levy äußert Zweifel an Baraks Kurs, hält sich aber alle Optionen offen / Konservative buhlen bereits um Ex-Likud-Mann

Von Inge Günther

JERUSALEM, 28. Juli. Der israelische Außenminister und Vize-Premier David Levy hegt Rücktrittsgedanken. Dies deutete er nach einer Aussprache mit Regierungschef Ehud Barak über den Verlauf des Friedensgipfels von Camp David an. Gleichzeitig verstärkte die konservative Oppositionspartei Likud am Freitag ihre Bemühungen, Levy, ein zugkräftiges Aushängeschild für die orientalische Wählerschaft, zurückzuholen.

Das frühere Likud-Mitglied hatte nach einem Bruch mit dem früheren Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu maßgeblich zu dessen Niederlage im vergangenen Jahr beigetragen. Auch für die "Ein Israel"-Liste Baraks wäre der Verlust von Levy ein harter Schlag, da die drei Mandate seiner Gescher-Partei mit verloren gingen.

Falls er helfe, Barak zu stürzen, soll Levy seitens des Likud versprochen worden sein, werde man ihm in dem konservativen Block einen sicheren Listenplatz verschaffen. "Levy riecht immer Neuwahlen im voraus", lautete ein Kommentar aus Regierungskreisen, "und deshalb bereitet er jetzt für sich eine neue politische Heimat vor." Dennoch hält sich der Außenminister vorerst alle Optionen offen. Für Sonntag ist ein weiteres Treffen zwischen ihm und Barak vereinbart. Er wolle erst wissen, erklärte Levy, welche Position der Premier in weiteren Verhandlungen mit den Palästinensern einnehme, bevor er eine endgültige Entscheidung treffe. Über Baraks bekannt gewordene Kompromissangebote äußerte er sich besorgt; auch bezweifele er, so Levy, "dass das Volk Israels bereit ist, so weit zu gehen".

Drastischer noch drückte Likud-Chef Ariel Scharon seine helle Aufregung nach einem Briefing mit dem Ministerpräsidenten über dessen Friedenskurs aus: "Barak ist willens, in allem nachzugeben, und deshalb brauchen wir Neuwahlen." Die Chancen einer Regierungsbildung der so genannten nationalen Einheit gelten damit als noch schlechter.

Das Schicksal der Koalition Baraks hängt folglich wieder einmal vor allem von der orientalisch-religiösen Schas-Partei ab, die bis zu ihrem Austritt mit 17 Abgeordneten sein zweitstärkster Partner war. Ob sie sich von Barak zurückkaufen lässt, dürfte sich bei der Knesset-Wahl des künftigen Staatspräsidenten am Montag zeigen. Schas will sich bis zum Vorabend alle Optionen offen halten.

Baraks politische Zukunftschancen sind dennoch gewachsen. Einer in der Zeitung Maariv veröffentlichten Umfrage zufolge liegt er mit 43 Prozent Zustimmung erstmals seit Wochen deutlich vor seinem inoffiziellen Herausforderer Netanyahu (38 Prozent).