Frankfurter Rundschau, 29.7.2000

Für die Mauer vorm Asylbewerberheim stimmten auch die Grünen

Anwalt nennt den Celler Beschluss "Diskriminierung per se" / Teure Sportkleidung der Bewohner ist der Stadt suspekt

Von Thomas Maron

Mit Stimmen von CDU, SPD, Grünen und "Republikanern" hat die Stadt Celle beschlossen, eine mannshohe Mauer vor einem Flüchtlingswohnheim zu errichten. Der Beschluss stößt auf heftige Kritik.

HANNOVER, 28. Juli. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in Niedersachsen, Silke Stokar, wertet den Mauerbau als "fatales Zeichen". Im Celler Stadtrat hatten die Grünen jedoch dafür gestimmt. Der Würzburger Ausländerrechtsexperte Michael Koch hält vor allem generelle Eingangskontrollen und die Tatsache, dass nur noch Heimbewohner Zutritt haben sollen, für "juristisch bedenklich".

Der Celler Stadtrat hatte den Bau einer Mauer bereits im Februar mit den Stimmen von CDU, SPD, einer freien Wählergemeinschaft (WG), der Grünen und der rechtsextremen Republikaner beschlossen. Mit der so genannten Einfriedung kommt man Anwohnern entgegen, die sich belästigt fühlen. Ursprünglich sollte die Mauer 2,50 Meter hoch werden. Geplant sind jetzt aus Kostengründen 1,80 Meter. Den Mauerbau, die Überwachung des Heims und eine zusätzliche Sozialarbeiterin lässt sich die Stadt rund 130 000 Mark kosten.

In dem Wohnheim, derzeit belegt mit 48 allein stehenden Männern im Alter von 18 bis 25 Jahren, sind nach Angaben der Polizei Drogendelikte aktenkundig geworden. Polizeisprecher Joachim Lindenberg sagte der FR, Beamte hätten wegen des Heims "sehr viele Einsätze zu fahren". Die Bewohner würden sich "mit Drogen beschäftigen". Worte wie "dealen" oder "handeln" mied der Sprecher. Es gebe da "Schwierigkeiten mit der Beweislage". Es liefen jedoch mehrere Ermittlungsverfahren. Der Polizeisprecher betonte, dass die Entscheidung zum Mauerbau allein die Stadt zu verantworten habe: "Wir haben damit überhaupt nichts zu tun."

Myriam Meißner, Sprecherin der Stadt, spricht von einem "latent kriminellen Potenzial" in dem Wohnheim und von Gerüchten, wonach auch Kindern Drogen angeboten worden sein sollen. Zudem sei auffällig, dass einige Bewohner "extrem teure Sportkleidung tragen". Nachbarn hätten sich jedenfalls "bedroht gefühlt".

Das sagt auch die Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Astrid Peters: "Die Nachbarn konnten von ihren Garagen aus beobachten, wie an der hinteren Seite des Asylantenheimes gedealt wurde." Peters bedauert, dass die Beweislage gegen die Asylbewerber "dauernd hinfällig gewesen" sei. Das zeige "die Hilflosigkeit des Staates gegenüber solchen Vorkommnissen". Die Ordnungshüter würden durch die neuen Maßnahmen "instand gesetzt, da mal sachlich fundiert aktiv zu werden".

Zurückhaltender äußert sich die grüne Fraktionsvorsitzende in Celle, Georgia Langhans, die mit zwei weiteren Grünen-Abgeordneten für den Mauerbau gestimmt hat. Von einer "Sicherheitsschleuse" sei in dem Beschluss des Rates nicht die Rede gewesen. "Damit habe ich ein extremes Problem", sagt sie. Mit dem Bau der Mauer könne sie dagegen leben, weil damit verhindert werde, dass das Heim an den Stadtrand verlegt wird. Zudem werde die Mauer ja nicht um das gesamte Gebäude gebaut, sondern "nur an zwei Seiten".

Rechtsanwalt Koch nennt das Verhalten der Stadt einen "Eingriff in die Freizügigkeit". Jeder Asylbewerber habe, sofern er nicht einer konkreten Straftat verdächtigt wird, in einem Wohnheim einen Anspruch darauf, "dass er unkontrolliert kommen und gehen kann, wann er will". Die Bewohner eines Flüchtlingswohnheims unter Generalverdacht zu stellen sei deshalb "Diskriminierung per se".