Frankfurter Rundschau, 28.7.2000

Nie ohne Blut & Ehre

Die Neonazi-Szene wächst

Von Heike Kleffner (Berlin)

Sie propagieren "die arische Nation" und "eine nationalsozialistische Revolution". Sie organisieren überall in Deutschland Konzerte rechtsextremer Bands und sind bei jedem Aufmarsch der NPD mit eigenen Abordnungen vertreten: Das rechtsextreme Netzwerk "Blood & Honour" gehört zum militantesten Arm der deutschen Neonazibewegung und verfügt über beste Kontakte ins europäische Ausland.

Über eigene Internetseiten, ein Hochglanzmagazin und mehrere Versandunternehmen beliefert "Blut und Ehre", wie sich die deutsche Blood & Honour-Sektion nennt, seine Gefolgschaft mit einschlägigen CDs und Propagandamaterial. Immer wieder gibt es bei den von ihr organisierten Konzerten Ausschreitungen und Angriffe gegen die Sicherheitsbehörden, wie zuletzt in Holvede bei Hamburg. Als Polizeibeamte den Auftritt der Magdeburger Skinheadband "Sperrfeuer" vor rund 400 rechtsextremen Skinheads beendeten, wurden sie vom Publikum attackiert. Einen Tag später drohte die Blood & Honour-Sektion Weser-Ems Racheakte an: "Absolut unverständlich ist es, dass sich einige Beamte immer noch fragen, warum Menschen wie Kay Diesner auf Polizisten schießen. (...) Sie sollten sich besser fragen, warum andere dies nicht machen."

Der wegen Mordes an einem Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilte Berliner Neonazi Diesner gilt in der rechtsextremen Szene als "Märtyrer". Längst bleibt es nicht mehr bei verbalen Bekundungen, ihm nachzueifern. Überall, wo deutsche Neonazis mit dem 1999 angekündigten Aufbau eines "braunen Untergrunds" begonnen haben, mischen Aktivisten von Blood & Honour Deutschland mit. Jüngstes Beispiel: die Mitte Juni in Berlin und Brandenburg von den Ermittlungsbehörden enttarnten "Nationalrevolutionären Zellen", die Anschläge gegen Mitglieder der linken Szene planten. Zwei beteiligten Neonazis, darunter der als V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes tätige Carsten S., organisierten für Blood & Honour Konzerte in Brandenburg und pflegen gute Kontakte zu englischen und schwedischen Gesinnungsgenossen.

Ein Blick auf die Internetseite von Blood & Honour Skandinavien zeigt, wie eng der Zusammenhalt zwischen deutschen Rechtsextremisten, der englischen Terrorgruppe "Combat 18" und der in Schweden für die Morde an zwei Polizisten verantwortlichen "Nationalsozialistischen Front" ist. So versammelten sich in der südschwedischen Kleinstadt Klippan im Juni rund 200 Neonazis aus Deutschland, England, Norwegen, Schweden und Dänemark zur "Sommersonnenwendfeier". Als "Zeremonienmeister" mit dabei: Stephan L. aus Berlin, der als Chef von Blood & Honour Deutschland als treibende Kräfte für das zunehmend militantere Auftreten der Gruppierung gilt. Auch der Auftritt eines prominenten Neonazis aus Bayern wurde in Schweden bejubelt: Bernd P. aus Bamberg, Sänger der Blood & Honour-Band "Hate Society", gilt als einer der wichtigsten deutschen Kontaktpersonen für Combat 18. Deren Mitglieder besuchten in den vergangenen zwölf Monaten mehrfach in Bamberg Blood & Honour-Treffen.

Für das Bundesamt für Verfassungsschutz handelt es sich hierbei jedoch lediglich "um Aktivitäten einzelner Führungsaktivisten", die keinesfalls zu terroristischen Aktionen in Deutschland aufriefen. Dagegen warnt der schwedische Rechtsextremismus-Experte Stig Larsson davor, die als "Konzertbesuche" getarnte Reisetätigkeit zu unterschätzen. "Am Rande werden Absprachen für militante Kampagnen getroffen", sagte Larsson der FR. So versammelten sich im November 1999 deutsche, schwedische, englische und norwegische Neonazis aus dem Umfeld von Blood & Honour und Combat 18 bei Oslo. Die Deutschen baten um Unterstützung bei Aktionen gegen politische Gegner im Raum Südniedersachsen. Einen Monat später warnte das Landeskriminalamt Niedersachsen den Göttinger DGB-Kreisvorsitzenden und mehrere linke Wohngemeinschaften vor rechten Briefbomben.

Auch unter den jugendlichen Anhängern der Blood & Honour-Bands hat deren Botschaft ihre Wirkung entfaltet. Zum Beispiel in Guben: Bevor sie den Asylbewerber Farid Guendoul in den Tod trieben, hatten seine Verfolger nach eigenem Bekunden die verbotene Musikkassette "Republik der Strolche" der Berliner Neonaziband "Landser" gehört: "Stellt Euch mal vor, eines Tages überfällt uns ein Millionenheer Hungernder aus der Dritten Welt. Wie wollt Ihr sie abhalten, mit Euren Argumenten? Dann hol ich meine Waffe raus und blas sie alle weg!"