Frankfurter Rundschau, 27.7.2000

"Sachbezogene Schmähkritik"

Bremer Justiz: "Bild" darf Ausländer "Abzocker" nennen

Von Eckhard Stengel (Bremen)

56 Ausländer und Deutsche sind mit gemeinsamen Strafanträgen und -anzeigen gegen Redakteure der Bild-Zeitung und des größten Bremer Anzeigenblattes Weser-Report gescheitert. Sie hatten den Redaktionen vorgeworfen, im Stil rechtsextremer Blätter "beleidigend und hetzerisch" über Ausländer berichtet zu haben. Die Staatsanwaltschaft lehnte es jetzt ab, die beantragten Verfahren wegen Volksverhetzung, Verleumdung, übler Nachrede und Beleidigung einzuleiten.

Bei dem Streit geht es um den Umgang mit über 500 Ausländern, die seit Jahren in Bremen leben. Innensenator Bernt Schulte (CDU) hatte ihnen nach längeren Polizeiermittlungen vorgeworfen, sie hätten sich unter falschen Angabe ihren Aufenthalt "erschlichen": Sie hätten sich als Staatenlose aus dem Libanon ausgegeben (womit sie vor Abschiebung geschützt waren), obwohl sie Türken seien. Anwälte und Betroffene bestritten diesen Vorwurf zwar, doch die Bremer Bild-Lokalausgabe bezeichnete die Beschuldigten fortan pauschal als "Asylbetrüger", die "unseren Sozialstaat abzocken". Der Weser-Report nannte sie "Schein-Asylanten".

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft erfüllten die Blätter damit keinen Straftatbestand. Neben formalen Gründen führt die Behörde vor allem an, dass die Ansichten der Redakteure durch die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt seien. Sie seien auch nicht aus der Luft gegriffen, denn sie stützten sich auf Informationen der Innenbehörde, heißt es in einem der Bescheide, der der FR vorliegt. Der Staatsanwalt räumt zwar ein, dass sich vor allem die Bild-Artikel "auf dem sogenannten Stammtisch-Niveau bewegen"; doch die Meinungsfreiheit erlaube auch "scharfe und übersteigerte Äußerungen", sogar "in Form von sachbezogener Schmähkritik".