Frankfurter Rundschau, 26.07.2000,

Das AKW in der Bruchzone

Erdbebengefahr bei Akkuyu

Von Gerd Höhler (Athen)

Die Pläne zum Bau des ersten AKW in Anatolien gehen zurück bis in die siebziger Jahre. Mehrfach schrieb die Regierung das Projekt aus, zuletzt 1997. Seither aber wurde die Vergabe immer wieder verschoben, insgesamt fünfmal.

Umstritten war nicht nur, ob die Türkei überhaupt in die Atom-Technologie einsteigen solle; für Kontroversen sorgte vor allem der Standort des geplanten Kraftwerks bei Akkuyu an der Südküste. Die Region gilt nämlich, wie fast die ganze Türkei, als erdbebenträchtig. In nur fünf Kilometer Entfernung vom geplanten AKW verläuft eine aktive Bruchzone in der Erdkruste, der Ecemis-Graben.

Die Bebengefahr, so argumentierten die Gegner des Projektes, beschwöre unabsehbare Risiken herauf. Die Region, so erklärte auch der prominente Wissenschaftler Atilla Ulug, Leiter der Abteilung für Geophysik an der Dokuz Eylul Universität, sei "geologisch viel zu instabil für den sicheren Bau eines Kernkraftwerkes". In der Gegend müsse "jederzeit mit einem schweren Erdbeben gerechnet werden".

Die türkische Atomenergie-Behörde bezeichnete den Standort derweil zwar als unbedenklich. Doch vor allem nach den verheerenden Erdbebenkatastrophen vom vergangenen Sommer, die in der Nordwesttürkei nahezu 20 000 Menschen das Leben kosteten, wurde die türkische Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert. 73 000 Menschen unterstützten mit ihren Unterschriften die Forderung von Atomkraftgegnern, auf das Projekt zu verzichten. Premier Bülent Ecevit hatte schon vor seiner Entscheidung grundsätzliche Bedenken gegen die Atomenergie geäußert.