Die Presse, Wien, 26.07.2000

Im Budget des Roten Kreuzes widerspiegelt sich die Weltkarte der Konfliktherde

IKRK-Präsident Jakob Kellenberger erläutert die Arbeitsschwerpunkte: Schutz der Zivilbevölkerung, Hilfe für Kindersoldaten, Betreuung von Gefangenen, Kampf gegen Landminen.

Von unserer Korrespondentin CLAUDIA LAGLER

SALZBURG. Rund zehn Milliarden Schilling: Eigentlich könnte sich der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Jakob Kellenberger, über das höchste Budget in der Geschichte seiner Organisation freuen. Doch der Einsatz der Mittel ist untrennbar mit den Krisenherden dieser Welt verbunden. "Unsere Präsenz bildet ziemlich genau den Kriegszustand der Welt ab", erklärte Kellenberger bei einem Pressegespräch in Salzburg. Allein 40 Prozent des operativen Budgets fließt in die Krisenherde nach Afrika: Ruanda, Angola, Eritrea stehen oben auf der Liste jener Länder, in denen die insgesamt 11.000 Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation ihren Einsatz leisten. Der Schutz der Opfer der bewaffneten Konflikte ist nach wie vor die Kernaufgabe des IKRK. Doch immer mehr werden auch andere Schwerpunkte gesetzt: Der Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten, der Schutz von Frauen und Mädchen oder der Kampf gegen die Antipersonenminen gehören zu jenen Anliegen, für die sich Kellenberger, der seit Anfang des Jahres im Amt ist, besonders einsetzt. Mit Rußland hat das IKRK bei der Gefangenenhilfe erste Erfolge erzielt. Die russische Regierung hat die Bedingungen des IKRK akzeptiert: Zugang zu allen Gefangenen, regelmäßige Besuche sowie Gespräche ohne Zeugen. Seit Mai habe man 18 Gefängnisse besuchen können, bilanziert Kellenberger. Ein Wermutstropfen dabei: Auf tschetschenischer Seite sei es noch nicht gelungen, Zugang zu Gefängnissen zu erhalten. Die Verbindung immer zu allen Konfliktparteien aufrechtzuerhalten gehört zu einem Prinzip des IKRK. Auch in China, der Türkei oder in Angola werde den Vertretern des IKRK der Zutritt zu den Gefängnissen nach wie vor verwehrt, sagt Kellenberger, er will das aber ändern: "Sie müssen mit der Hartnäckigkeit des IKRK rechnen." Mit Nachdruck verlangt Kellenberger außerdem, daß der Export von leichten Waffen erschwert wird. "Der einfache Weg, mit dem leichte Waffen in Krisengebiete gelangen, bereitet mir große Sorgen", sagt der IKRK-Präsident. Konflikte würden verschärft, Kriege verlängert. Einzelstaatliche Gesetze oder Völkerrechtsverträge müßten hier Abhilfe schaffen. "Die Präsenz gewisser Augen ist nicht überall gewünscht", kommentiert Kellenberger die Tatsache, daß immer häufiger Mitarbeiter des IKRK das Ziel von Angriffen werden. Im Durchschnitt werden drei Sicherheitszwischenfälle wöchentlich verzeichnet - von der Drohung bis zum Mord, sagte Kellenberger. Eine der schlimmsten Erfahrungen sei die Ermordung von sechs Mitarbeitern des IKRK in Tschetschenien gewesen. "Psychologisch ist das ein Trauma für das IKRK." Um Hilfe zu leisten, müssen auch die Finanzen stimmen. Den österreichischen Beitrag von 22,3 Millionen Schilling (1,6 Millionen Euro) empfindet der Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, Fredy Mayer, beschämend. Er macht 0,3 Prozent des Gesamtbudgets des IKRK aus und liege weit unter dem Beitrag vergleichbarer Länder.