Frankfurter Runddschau 25.7.2000

Körperverletzung im Amt - nie bei BGS-Beamten?

Wenn Ausländer wegen Misshandlung bei der Abschiebung Anzeige erstatten, steht am Ende immer die Verfahrenseinstellung

Von Dieter Balle (Karlsruhe)

Dass es bei Zwangsanwendung im Zusammenhang mit Abschiebungen auch zu Misshandlungen kommt, wird kaum jemand bestreiten. Doch gibt es keinen Fall in den vergangenen Jahren, in dem Ermittlungen zur Anklageerhebung oder gar zu einer Verurteilung von Beamten wegen Körperverletzung im Amt geführt hätten.

"Misshandlungen von Flüchtlingen bei Abschiebungen haben für die beteiligten Bundesgrenzschutzbeamten in der Regel keine strafrechtlichen Konsequenzen", resümiert die Heidelberger Asylanwältin Susanne Rohfleisch. Sie vermutet nachlässige Ermittlungen bei den Staatsanwaltschaften, die die Verfahren gegen die beteiligten Beamten in der Regel mangels hinreichendem Tatverdacht einstellten.

Laut Bundesregierung gab es etwa 1997 bundesweit 81 Strafanzeigen gegen BGS-Beamte. Seit 1998 wurden allein am Frankfurter Flughafen laut BGS 21 Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Alle blieben für die beteiligten Beamten ohne Konsequenzen. Dasselbe gilt für die vier bundesweit seit 1993 im Zuge von Abschiebemaßnahmen vorgekommenen Todesfälle und auch die acht Misshandlungsvorwürfe, die das Anti-Folter-Kommitee des Europarats (CPT) anlässlich eines Besuches in den BGS-Gewahrsamseinrichtungen im Bereich des Frankfurter Flughafens 1998 aufgegriffen hatte. Dazu gehören unter anderem die Aussagen eines Iraners, dem bei zwei Abschiebungsversuchen 1998 durch BGS-Beamte die Hoden gequetscht sowie ein Lendenwirbel gebrochen worden sein sollen.

Viele der mutmaßlich Misshandelten geben Schläge, Tritte, verbale Beleidigungen und Drohungen sowie die Verweigerung von Essen und Trinken über einen längeren Zeitraum zu Protokoll. Auffällig ist, dass etliche der Anzeigeerstatter den Beamten Misshandlungen im direkten Anschluss an gescheiterte Abschiebeversuche vorwerfen, zu einem Zeitpunkt also, da die Notwendigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs nicht mehr gegeben ist.

Das rüde Vorgehen von Beamten soll in einigen Fällen auch schwere Traumatisierungs- und Retraumatisierungssymptome ausgelöst haben. So etwa bei dem algerischen Asylbewerber Mokthar Dahmane. Er sei auf dem römischen Flughafen bei einer Zwischenlandung von italienischen und deutschen Grenzschützern gemeinsam mit Fausthieben misshandelt worden, während er gefesselt und geknebelt wie ein Frachtstück gewesen sei, gab der nach sechs Abschiebeversuchen und achtmonatiger Abschiebehaft gesundheitlich schwer Angeschlagene zu Protokoll. Ein BGS-Sprecher am Frankfurter Flughafen verwies demgegenüber darauf, dass bei Abschiebungen oft auch die Beamten die Opfer seien. So habe es seit 1998 in Frankfurt 197 Anzeigen von BGS-Beamten gegen Rückzuführende, vor allem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gegeben. 57 Beamte seien verletzt worden. Bei Anwendungen von unmittelbarem Zwang seien Verletzungen nicht auszuschließen. Die BGS-Beamten würden jedoch in so genannten Task- und Rückführungssseminaren geschult.

Flüchtlingshilfsorganisationen und Asylanwälte schätzen dennoch die Dunkelziffer bei Körperverletzungsdelikten im Amt zum Nachteil von Flüchtlingen als hoch ein. Viele Abgeschobene könnten aus ihrem Heimatland keine rechtlichen Schritte mehr unternehmen. Überdies hätten die hier lebenden ausländischen Opfer nicht nur Angst vor der Polizei, sondern auch vor Justiz und Ausländeramt.

Wenn es dennoch zu einer Anzeige komme, verliefen die Reaktionen der beschuldigten Beamten "meist nach vertrautem Muster", so Susanne Rohfleisch. Die Anzeige des Misshandelten werde sofort mit einer Gegenanzeige beantwortet. Zu einem ungünstigen Zeugenverhältnis, bei dem der Flüchtling mit seinen Vorwürfen allein gegen mehrere Beamte stehe, komme in der Regel eine Verschleppung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaften. Staatsanwaltschaften stellten oft allzu schnell Ermittlungsverfahren ein, wenn es sich bei den Verdächtigen um Polizisten handele, konstatiert auch die Hilfsorganisation "Aktion Courage-SOS Rassismus" in Bonn. So habe die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Ermittlungsverfahren gegen drei BGS-Beamte eingestellt, obwohl diese sich in zentralen Passagen ihrer Aussagen zum Tathergang widersprochen hätten.