ZDF online, 22.7.2000

BKA warnt vor Rechtsextremismus

Namenslisten von Politikern und Gewerkschaftern im Internet

Das Bundeskriminalamt (BKA) sieht Politiker und Gewerkschafter zunehmend von Rechtsradikalen bedroht. BKA-Präsident Ulrich Kersten sagte in einem Gespräch mit der "Welt am Sonntag": "Das Feindbild von Rechtsextremisten umfasst neben Ausländern die linke Szene insgesamt".

Immer wieder würden "in rechtsextremistischen Publikationen und vermehrt auch im Internet Namen, Adressen und Lichtbilder von Personen veröffentlicht, zu denen Gewerkschafter, Künstler, aber auch Politiker zählen."

Bisher sind nach Darstellung Kerstens keine Anschläge bekannt geworden, die mit diesen Listen in Zusammenhang gebracht werden könnten. Die Gefahr, dass sich Rechtsextremisten ermutigt fühlen, Gewalt gegen Politiker oder Gewerkschafter zu verüben, "können wir allerdings nicht ausschließen", sagte Kersten.

Den Anstieg rechtsextremistischer Inhalte im Internet nannte der BKA-Präsident "Besorgnis erregend" und verwies auf 330 solcher Homepages. Bisher könnten "rechtsterroristische Strukturen" bisher allerdings nicht festgestellt werden. Der rechten Szene fehle es derzeit an Führungspersönlichkeiten, an Organisationsfähigkeit und an einem einheitlichen Konzept, die politischen Ziele durch terroristische Straftaten zu erreichen.

GEWALTPOTENTIAL IN OSTDEUTSCHLAND

Der für den Staatsschutz verantwortliche Erste Direktor des Bundeskriminalamtes (BKA), Manfred Klink, verwies in der "Mitteldeutschen Zeitung" (Halle, Samstag) auf das wesentlich höhere rechtsextreme Gewaltpotenzial in Ostdeutschland. So würden nach einer Analyse der BKA in den neuen Ländern, die auf 19 Prozent Bevölkerungsanteil kommen, 40 Prozent der rechtsextremen Taten verübt. Bei den rechtsextrem motivierten Gewaltdelikten seien es sogar 44 Prozent.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Cem Özdemir, warf den Politikern in Ostdeutschland vor, die Fremdenfeindlichkeit zu verharmlosen. In einem Interview des Nachrichtenmagazins "Focus" sagte Özdemir, Arbeitslosigkeit würde immer als Rechtfertigungsgrund für deren Taten genannt. Nach der Vereinigung habe "den Ostdeutschen offensichtlich niemand erklärt, dass zur Bundesrepublik auch Werte gehören".

Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ute Vogt (SPD), sprach sich gegen eine Änderung des Demonstrationsrechts aus. "Demonstrationsrecht und Versammlungsfreiheit sind ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie", sagte sie dem "Focus". Auch angesichts vieler NPD-Demonstrationen sehe sie "keinen dringen Handlungsbedarf". Der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) forderte dagegen eine "Grenze für die Demonstrationsfreiheit". "Wenn NPD-Mitglieder und Neonazis durch das Brandenburger Tor marschieren, hört mein Verständnis auf".