junge Welt, 22.07.2000

Persilscheine für Bundesgrenzschützer

Mißhandlungen von Flüchtlingen durch BGS blieben bisher ungesühnt

Für Ausländer ist es offensichtlich nahezu aussichtslos, bei Konflikten mit dem Bundesgrenzschutz (BGS) Recht zu bekommen. Wie eine Umfrage bei Behörden und Flüchtlingshilfsorganisationen ergab, ist es trotz Hunderter Strafanzeigen in den vergangenen Jahren zu keiner einzigen Anklage beziehungsweise Verurteilung von Beamten wegen Körperverletzung im Amt gekommen. »Mißhandlungen von Flüchtlingen bei Abschiebungen haben für die beteiligten Bundesgrenzschutzbeamten in der Regel keine strafrechtlichen Konsequenzen«, resümiert deshalb die Heidelberger Asylanwältin Susanne Rohfleisch. Der Grund: Die Staatsanwaltschaften ermittelten nachlässig und stellten die Strafverfahren gegen die beteiligten Beamten in der Regel »mangels hinreichendem Tatverdacht« ein.

Laut Bundesregierung gab es 1997 bundesweit 81 Strafanzeigen gegen BGS-Beamte, allein am Frankfurter Flughafen wurden seit 1998 laut BGS 21 Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Alle blieben für die beteiligten Beamten ohne juristische Konsequenzen. Auch die vier seit 1993 im Zuge von Abschiebemaßnahmen zu beklagenden Todesfälle blieben folgenlos, wie auch die acht Mißhandlungsvorwürfe, die das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) anläßlich eines Besuches in den BGS- Gewahrsamseinrichtungen im Bereich des Frankfurter Flughafens 1998 dokumentiert hatte. Dazu gehören unter anderem die Aussagen eines Iraners, dem bei zwei Abschiebungsversuchen 1998 durch BGS-Beamte die Hoden gequetscht sowie ein Lendenwirbel gebrochen worden sein sollen. Das rüde Vorgehen von Beamten soll in einigen Fällen auch schwere Traumatisierungs- und Retraumatisierungssymptome ausgelöst haben.

Ein BGS-Sprecher wies die Vorwürfe zurück und darauf hin, daß häufig Beamte Opfer von Attacken von Abschiebekandidaten seien. 57 Beamte seien dabei verletzt worden.

Flüchtlingshilfsorganisationen und Asylanwälte schätzen die Dunkelziffer bei Körperverletzungsdelikten im Amt zum Nachteil von Flüchtlingen als hoch ein. Viele Abgeschobene könnten aus ihrem Heimatland keine rechtlichen Schritte mehr unternehmen. Überdies hätten die hier lebenden ausländischen Opfer nicht nur Angst vor der Polizei, sondern auch vor Justiz und Ausländeramt. Wenn es dennoch zu einer Anzeige komme, verliefen die Reaktionen der beschuldigten Beamten »meist nach vertrautem Muster«, so Susanne Rohfleisch. Die Anzeige des Mißhandelten werde sofort mit einer Gegenanzeige beantwortet, die in der Regel mit Zeugenaussagen von Kollegen unterfüttert werde. Letztlich ende das Ganze regelmäßig in einer Einstellung des Verfahrens, so Rohfleisch. Diese Einschätzung unterstützt auch die Hilfsorganisation »Aktion Courage - SOS Rassismus« in Bonn. Sie berichtete von mehreren Fällen, in denen Staatsanwaltschaften Klagen von Asylbewerbern wegen »erheblicher Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit« abgewiesen haben.

Dieter Balle