Rhein-Neckar-Zeitung, 20.7.2000

Schily: Einwanderung und Asyl gehören zusammen

Berlin/Hamburg (dpa) - Die neue Einwanderungskommission muss sich nach Ansicht von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) auch mit dem Asylrecht beschäftigen. Die ganze Diskussion um das Grundrecht auf Asyl sei «wahrscheinlich müßig», sagte Schily der in Hamburg erscheinenden Wochenzeitung «Die Zeit». «Die Praxis zeigt jeden Tag aufs Neue, dass Asyl und Zuwanderung sich in unserem System verknäueln», betonte der Minister. Mindestens 80, wenn nicht sogar 90 Prozent der Asylbewerber gingen in das Asylverfahren, «um ein Bleiberecht zu erreichen, und nicht, weil sie in ihrer Heimat politisch verfolgt werden».

Schily widersprach damit auch Bundespräsident Johannes Rau und dem grünen Koalitionspartner. Die von ihm eingesetzte Vorsitzende der Kommission, Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), hatte sich mehrfach dagegen gewandt, das Asylrecht gegen die gewünschte Einwanderung von Fachkräften auszuspielen.

Nach Worten Schilys geht es bei dieser Diskussion nicht um Glaubensfragen, sondern um praktische Lösungen. Der überparteilichen Kommission dürften keine Denk- und Prüfungsverbote auferlegt werden. «Dann hat sie schon auf den ersten Metern verloren.» Die Hälfte der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei mit Asylverfahren beschäftigt, beklagte Schily. Mehr als eine halbe Million Asylverfahren seien rechtskräftig abgeschlossen, ohne dass die Ausreisepflichtigen das Land wieder verlassen hätten. «Das Problem sollten wir daher nicht bagatellisieren.» Andere europäische Staaten kämen zu schnelleren Ergebnissen.

Schily wiederholte seine Forderung, das Asylverfahren radikal zu verkürzen und zu vereinfachen. Er könne sich auch ein Asylverfahren ohne Beteiligung der Justiz vorstellen, auch wenn es schwierig sei, dies aus der Rechtswegegarantie des Grundgesetzes auszuklammern, sagte Schily. Es müsse nicht alles verrechtlicht werden. «Wenn wir Erdbebenopfern in der Türkei helfen, gibt es darauf auch kein subjektives Klagerecht.»