Frankfurter Rundschau, 19.7.2000

Menschenrechte

Türkei muss wegen Verstoß gegen Pressefreiheit zahlen

STRASSBURG, 18. Juli (dpa/afp). Die türkische Regierung muss einer türkischen Journalistin wegen Verletzung der Meinungsfreiheit eine Entschädigung von 40 000 Franc (12 000 Mark) zahlen. Zu diesem Urteil kam der europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag in Straßburg. Die 31-jährige Chefredakteurin der Wochenzeitschrift "Wahrheit der Nachrichten und Kommentare" aus Istanbul war 1994 wegen separatistischer Propaganda zu einer sechsmonatigen Haftstrafe und einer Geldstrafe verurteilt worden. Anlass war die Veröffentlichung eines Artikels des türkischen Intellektuellen Erhan Altun. Er hatte die Unterdrückung der kurdischen Minderheit als Völkermord bezeichnet.

Nach Ansicht der Straßburger Richter verstieß die Verurteilung gegen das in Artikel zehn der Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Meinungsfreiheit. Es sei Aufgabe der Presse, "auch über umstrittene politische Fragen zu informieren", hieß es in der Urteilsbegründung. In dem beanstandeten Artikel wurde nach Auffassung des Gerichtshofes weder zur Gewalt noch zum bewaffneten Widerstand aufgerufen. Die Beschwerdeführerin lebt gegenwärtig in Köln.

In einem zweiten Urteil hat der europäische Gerichtshof die Beschwerde eines 38-jährigen Türken zurückgewiesen, der die türkischen Sicherheitskräfte für den Tod seines Bruders verantwortlich gemacht hatte. Der Bruder, der Mitglied einer prokurdischen Partei war, war 1994 bei einer Schießerei tödlich getroffen worden. Die Straßburger Richter bescheinigten der türkischen Justiz, in diesem Fall korrekt ermittelt zu haben.