Mittelbayrische Zeitung, 17.7.2000

6000 Dollar pro Flüchtlings-Kopf

Polizei: Mit Menschenschmuggel wird mehr Geld verdient als mit Rauschgift

KIEFERSFELDEN/SCHWANDORF (lby). Die Gewinne weltweit agierender Menschenschmugglerringe sind nach Expertenmeinung mittlerweile höher als im Drogenhandel.

Gefälschte Reisepässe zeigen die Polizeibeamten aus Deutschland, Italien und Österreich in Kiefersfelden.

Von jedem Flüchtling kassieren die "Köpfe" der Schleuserbanden bis zu 6000 US-Dollar. Allein die jüngst zerschlagene Schlepperorganisation um ihren Drahtzieher "Abuziro" verdiente damit über 30 Millionen US-Dollar, sagte der Rosenheimer Polizeidirektor Franz Mayer am Freitag in Kiefersfelden. Dort informierten bayerische, italienische und österreichische Polizeivertreter über die Zerschlagung des Menschenschmugglerrings.

Im Zuge der Fahndung nach weiteren Bandenmitgliedern wurde am Freitagmorgen in Nürnberg ein 23 Jahre alter Iraker festgenommen, der nach Angaben von Eckhard Lang von der Rosenheimer Kripo als "Statthalter Abuziros" in Franken agierte. Bereits am 3. Juli ging Zielfahndern in Oslo der nach "Abuziro zweite Mann der Bande mit Namen "Hamaziad" ins Netz. Damit wurden bei der "Operation Abuziro" bisher 31 Personen festgenommen und 28 Haftbefehle erlassen. Nach acht Hintermännern der Bande, unter ihnen der Anführer selbst, wird noch gefahndet.

Dem laut Mayer dennoch komplett zerschlagenen Schlepperring werden von der Polizei mindestens 1000 Schleusungen überwiegend von Kurden zugeordnet. Die Dunkelziffer dürfte nach Schätzung von Lang jedoch bei zwischen 4000 und 6000 liegen. Ins Rollen kamen die Ermittlungen im Juni 1999 nach der Festnahme von zwei jungen Türken in Nürnberg, die 30 Landsleute illegal nach Deutschland gebracht hatten. Die Wege der Schleuserbanden führen über die Türkei, Griechenland und Italien nach Österreich und Deutschland. "Die Flüchtlinge kommen eingepfercht in Lkw oder auf Seelenverkäufern nach Italien, wo sie weiter verteilt werden." Einer der Dreh- und Angelpunkte der Bande sei Rom. Den "Chef" des Rings vermuten die Sicherheitsbehörden im Irak.

Giuseppe Macri von der italienischen Grenzpolizei in Bozen berichtete, seit vergangenem Sommer sei Bozen Ziel vieler kurdischer Flüchtlinge gewesen. Durch die intensive Fahndungsarbeit hätten sich die Mittelsmänner aber aus der Region zurückgezogen und nutzten seit kurzem nicht mehr den Brenner, sondern verstärkt die Tauernautobahn.

Nach einem relativ ruhigen Jahresbeginn ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der tschechisch-bayerischen Grenze im zweiten Quartel wieder deutlich angestiegen. Nach Angaben des Bundesgrenzschutzamtes in Schwandorf wurden in den ersten Monaten 1437 Menschen aus Osteuropa und Asien aufgegriffen. Gleichzeitig wurden 69 Schleuser festgenommen.

erarbeitet von Kuchler, Harald