Süddeutsche Zeitung, 17.7.2000

Bundespräsident fordert Integrationsgesetz für Ausländer

Rau warnt vor Abschaffung des Rechts auf Asyl

SPD und Grüne wollen Zuwanderung noch vor der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2002 neu regeln

Frankfurt (AP/ddp) - Sozialdemokraten und Grüne wollen noch in dieser Wahlperiode die Voraussetzungen für eine geordnete Ausländer- und Einwanderungspolitik schaffen. Nach den Worten von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sollen noch vor der nächsten Bundestagswahl "gesetzgeberische Konsequenzen" aus der Arbeit der kürzlich gebildeten Einwanderungskommission gezogen werden. Ähnlich äußerten sich am Wochenende SPD-Generalsekretär Franz Müntefering und der Grünen-Bundesvorsitzende Fritz Kuhn. Bundespräsident Johannes Rau warnte indessen erneut vor einer Abschaffung des in der deutschen Verfassung verankerten Grundrechts auf Asyl.

Müntefering sagte der Welt am Sonntag, Deutschland brauche klare Regeln in der Einwanderungspolitik. Er gehe davon aus, dass die von Innenminister Otto Schily (SPD) einberufene Einwanderungskommission bis zum Sommer nächsten Jahres zu einem Ergebnis kommen werde. "Dann kann noch vor der nächsten Bundestagswahl eine Entscheidung über das weitere Vorgehen gefällt werden", sagte Müntefering. Vor allem aber müsse geklärt werden, wie die Qualifizierung der benötigten Arbeitskräfte in der Bundesrepublik gewährleistet werden könne, welche Folgen die Osterweiterung der Europäischen Union habe und wie in diesem Zusammenhang das Asylrecht gesichert werden könne.

Kuhn sprach sich für die Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode aus. Ein solches Gesetz sei überfällig, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Auf die Frage, ob im Rahmen einer Einwanderungsregelung nicht auch das Asylrecht geändert werden müsse, antwortete Kuhn: "Ich gehe davon aus, dass das geltende Asylrecht Bestand hat. Natürlich muss man das europaweit diskutieren. Aber es wäre zynisch, Asylbewerber in eine Einwanderungsquote einzurechnen." Das Recht auf Asyl müsse individuell einklagbar bleiben.

Auch der Bundespräsident warnte erneut davor, im Zusammenhang mit einem Einwanderungsgesetz das Recht auf Asyl abzuschaffen. "Unsere Geschichte verpflichtet uns, Menschen, die um Leib und Leben fürchten, eine Heimat zu geben", sagte Rau im Südwestrundfunk. Er kritisierte aber, dass Asylverfahren in der Regel zu lange dauerten. Zugleich mahnte Rau eine bessere Integration der in Deutschland lebenden Ausländer an. Notwendig sei ein Integrationsgesetz und ein Inetgrationsbericht des Bundestags, damit eine Diskussion über die deutsche Ausländerpolitik regelmäßig geführt werde.

Nach Ansicht der früheren Ausländerbeauftragten Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) dürfen weder das Asylrecht noch die Frage der Aussiedler aus der Arbeit der Einwanderungskommission ausgeklammert werden. Wenn man einer so hochkarätig besetzten Kommission Maulkörbe verpasse, brauche sie gar nicht erst anzufangen, sagte sie.