Badische Zeitung, 15.07.2000

Bayerns Blue Card höhlt das Asylrecht aus / Trotzdem stößt sie zunehmend auf positives Echo Kein harmloses Farbenspiel

Von unserer Redakteurin Frauke Wolter

Der monatelange Streit um die Green Card hat vor allem eines bewirkt: Einwanderungspolitik orientiert sich künftig in der Hauptsache an nationalen Interessen. Bester Beweis: die Blue Card, mit der die Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen ihren Arbeitskräftemangel lindern wollen.

Das Vorgehen von Bayerns Ministerpräsident Stoiber war gelungen: Während auf Bundesebene heftig darum gerungen wurde, unter welchen Bedingungen 20'000 ausländische Computerfachkräfte ins Land kommen dürfen, erließ sein Kabinett eine einfache Verwaltungsanweisung. Dieser zufolge können Fachleute auch anderer Branchen jederzeit einreisen, wenn sie einen Arbeitsvertrag in der Tasche haben. Läuft dieser aus, müssen sie sofort wieder gehen, um die Sozialkasse nicht zu belasten. Unbürokratisch, schnell, eng am wirtschaftlichen Bedarf orientiert - so warb Stoiber für seine Blue Card. Und stahl dem Bundeskanzler im nachhinein die Show.

Denn dieser wollte sich mit seiner Green-Card-Initiative vor allem als modern und zukunftsorientiert präsentieren; wohl wissend, dass die rot-grüne Ausländerpolitik der Opposition mehr als nur ein Dorn im Auge ist. Daher muss es Schröder nicht wenig überrascht haben, dass die Union - nach ungeschickten Reaktionen wie der Rüttgers-Parole "Kinder statt Inder" - beim Thema Zuwanderung zum Überholen ansetzte.

Und tatsächlich sieht Stoibers Blue Card auf den ersten Blick besser aus als Schröders grüne Karte: die Aufenthaltsgenehmigung ist unbefristet, die Zahl der Arbeitskräfte auch und Familien dürfen ebenfalls nachziehen. Doch die Sache hat einen Haken. Die bayerische Blue Card ist Teil eines Eckpunkte-Papiers, das unter dem Motto steht "wir wollen mehr Ausländer, die uns nützen, statt solche, die uns ausnützen". Übersetzt könnte man auch sagen: Wir wollen mehr Fachkräfte und weniger Flüchtlinge. Weshalb sowohl die CSU, aber auch die CDU immer wieder vehement darauf dringen, statt dem individuellen Asylrecht künftig nur noch eine institutionelle Garantie auf Asyl mit einem verkürzten Instanzenweg zu gewähren.

Diese Vorstellungen teilen viele in der SPD und die Grünen nicht. Doch weil den Ländern zunehmend die Fachkräfte fehlen, geht Stoibers Plan auf: Nun liebäugelt selbst das SPD-geführte Niedersachsen mit der Blue Card. Und im Bundesinnenminister hat die Union ohnehin einen prominenten Unterstützer: Gerade hat Otto Schily (SPD) wieder einmal betont, dass in der Zuwanderungskommission über alles - und damit auch über das Asylrecht - "ohne Tabus" gesprochen werden soll. Dem praktischen Nutzen von Zuwanderung höheren Stellenwert einzuräumen als humanitären Aspekten, wie es kürzlich Hessens Innenminister forderte, könnte daher bedeuten, dass es bald noch eine Karte gibt: die rote für Asylbewerber.