Badische Zeitung, 15.07.2000

Wie die Türkei versuchte, eine für sie unbequeme Ausstellung verschwinden zu lassen und wie ein leitender Angestellter ihr half Menschenrechte - auf der EXPO kein Thema?

Von unserem Redakteur Jörg Fesser

HANNOVER. Wer sich über die Schönheiten der Türkei als Urlaubsland informieren möchte, kann ins Reisebüro gehen. Aber lieber soll er zur EXPO kommen. So dachte wohl Norbert Bargmann, stellvertretender Generalkommissar der EXPO 2000, und ließ einen Ausstellungsteil im Themenpark entfernen, der kritisch über die Menschenrechte in der Türkei berichtete.

An der Organisation des Themenparks war Amnesty International beteiligt, denn es sollte auch das Thema Menschenrechte aufgegriffen werden. In wechselnden Teilausstellungen werden dabei verschiedene Länder vorgestellt, neben der Türkei beispielsweise die USA und der Sudan. Vertretern der Türkei missfiel offenbar, was sie dabei zu sehen bekamen: Ein Video und Schautafeln zeigten das Schicksal mehrerer Kinder und Jugendlicher, die im Dezember 1995 verhaftet worden waren. Sie sollten gegen das Anti-Terror-Gesetz verstoßen haben. In einem zweifelhaften Verfahren waren zehn der Jugendlichen 1997 zu Haftstrafen verurteilt worden.

Inzwischen läuft ein Wiederaufnahmeverfahren: Offenbar hatten die Justizbehörden durch Folter für passende Geständnisse gesorgt. Für ai ein Beweis, dass in türkischen Gefängnissen Kinder nicht vor Misshandlungen sicher sind.

Indes war diese Darstellung für das Urlaubsland Türkei augenscheinlich nicht hinnehmbar. Nach ai-Informationen drohte das Land damit, sein Engagement auf der EXPO zu beenden. Daraufhin waren am Donnerstag prompt Video und Schautafeln verschwunden. Der EXPO gehe es nur um den schönen Schein und um einen Teilnehmerrekord unter den Nationen, sagte ai-Sprecher Uwe Kirchner.

"Man hat wohl den Wechsel vorgezogen", vermutete dagegen Themenpark-Sprecherin Rhan Gunderlach gestern. Der wäre eigentlich am 15. August fällig gewesen. Wechsel? "Kein Land darf am Pranger stehen", sagt Gunderlach, deshalb würden in der Ausstellung ständig andere Länder beleuchtet. "Wir wussten von vorne herein, dass es bedenkliche Fälle gibt." Der Themenpark habe sich deshalb "sofort hinter ai gestellt". Die Ausstellung jedenfalls sah am Freitag wieder so aus wie vorher. Am Abend zuvor hatte es ein Gespräch mit EXPO-Geschäftsführerin Birgit Breuel gegeben.

Ob die Türkei dies nun hinnimmt, blieb gestern unklar. "Wir werden abwarten müssen", sagt Rhan Gunderlach. Der türkische Protest sei bisher ein Einzelfall. Andere Länder, die bei diesen Ausstellungen auch nicht gut wegkommen, hätten sich noch nicht beschwert.

Kommissar Bargmann als Verantwortlicher der Entfernungs-Aktion war am Freitag nicht zu erreichen. Er widmete sich dem Ländertag Ghana.