taz 13.7.2000

Kommission ohne Einwanderer

Schilys Expertenrunde soll vorurteilsfrei und ohne Tabus Vorschläge für eine neue Zuwanderungspolitik erarbeiten. Die Grünen werden durch Ralf Fücks vertreten

BERLIN taz Die Geheimniskrämerei ist zu Ende. Innenminister Otto Schily (SPD) hat gestern die Mitglieder seiner umstrittenen Zuwanderungskommission vorgestellt. Vertreter von Migranten-Organisationen sind in dem 21-köpfigen Gremium nicht vertreten. Sie sollen aber "angehört" werden, erklärte Schily.

Den Vorsitz übernimmt wie erwartet und gegen den Willen ihrer Partei die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Die Grünen sind durch das Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, vertreten. Einziger ausländischer Teilnehmer ist der Berliner Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz. Er besitzt die schweizerische und österreichische Staatsangehörigkeit.

Die überparteiliche Expertenrunde, der unter anderem auch BDI-Chef Henkel und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Spiegel, angehören, soll bis Mitte nächsten Jahres "praktische Lösungsvorschläge und Empfehlungen für eine neue Ausländer- und Zuwanderungspolitik" erarbeiten. Sollte die Kommission zu Ergebnissen kommen, "denen wir folgen können", könnte es möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode Gesetzesänderungen geben. Damit reagierte Schily auf die Kritik der CDU, die ihm vorgeworfen hatte, Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben.

Schily betonte, die Kommission sei "keinen politischen Beschränkungen unterworfen". Sie solle alle mit der Zuwanderung verbundenen Fragen "vorurteilsfrei und ohne Tabus" prüfen. Dazu gehöre auch das Asylrecht, die Zuwanderung von Spätaussiedlern und der Familiennachzug von Nicht-EU-Ausländern.

Dass die Ergebnisse der Kommission erst kurz vor der nächsten Bundestagswahl vorgestellt werden, ist für Schily kein Problem. Deutschland sei ohnehin "ständig im Wahlkampf".

Sowohl Schily als auch Vertreter der Grünen bemühten sich gestern, Gerüchte zu zerstreuen, im Vorfeld habe es Streit um die Besetzung des "grünen Tickets" gegeben. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, erklärte gegenüber der taz, Fücks sei eine "sehr gute Wahl". Es sei zwar "im Prinzip wünschenswert, dass nicht nur über, sondern mit Zuwanderern diskutiert wird". Die Grünen hätten jedoch zu wenige "profilierte Migranten" in ihren Reihen, die für die Kommission in Frage gekommen wären. LUKAS WALLRAFF