Badische Zeitung, 13.7.2000

Schilys Coup reizt die CDU

Die Abgeordnete Rita Süssmuth wird Vorsitzende der Zuwanderungskommission

Von unserem Korrespondenten Johannes Schradi

Kanzler Gerhard Schröder liebt den Konsens. So soll bestehenden oder zu erwartenden Konflikten die Spitze gebrochen werden. Jüngstes Beispiel: die Zuwanderung. Bevor mehr Menschen kommen dürfen als nur Green-Card-Besitzer, soll eine Zuwanderungskommission das Feld bereiten.

Am Mittwoch stellte Innenminister Schily die Mitglieder vor. Schon die Idee, den Vorsitz niemandem aus den eigenen Reihen, sondern der CDU-Abgeordneten Rita Süssmuth anzutragen, ist Kalkül. Erst ihr Stellvertreter im 21-köpfigen Gremium aus allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen ist ein Sozialdemokrat: Hans-Jochen Vogel. Verärgert nahm die Opposition den Coup zur Kenntnis. Zwar gilt in der Union die frühere Bundestagspräsidentin als unbequemer Geist. Aber ihre Berufung macht es der Union schwerer, Front zu machen gegen das, was die Kommission eines Tages empfehlen wird.

Eines Tages - das soll, sagt Schily, Mitte nächsten Jahres sein, und also ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl. In der Sache geht es um die emotional stark besetzte Frage: Wie viel Zuwanderung soll erlaubt sein und soll das Asylrecht fortbestehen wie es ist oder nicht? Die Opposition wünscht sich "nützliche" Einwanderer und fordert, diese mit den Asylbewerbern zu verrechnen. Der Bundesinnenminister kann sich Zuwanderung vorstellen, verbunden mit strafferen Asylverfahren. Die Grünen und auch Bundespräsident Rau sagen: Zuwanderung und Asyl sind zweierlei, da gibt es nichts zu verrechnen.

Zu welchem Ergebnis die Kommission kommen wird, ist offen: Ihre Zusammensetzung nimmt Ergebnisse nicht vorweg, auch wenn hinter den Kulissen um einen Posten noch gerangelt wird. Das Gedrängel war groß, und namentlich die Gewerkschaften und die Grünen sahen sich unzureichend repräsentiert. Ob am Ende ein neues Gesetz, ein verändertes Gesetz oder bloß ein paar administrative Neuerungen herauskommen - "alles ist denkbar", sagt Otto Schily. Das sagt er so leicht, weil am Ende nicht die Kommission, sondern die Regierung und das Parlament entscheiden werden. Aber eben erst, wenn die Kommission ihre Empfehlungen gegeben hat, die so etwas wie einen gesamtgesellschaftlichen Konsens darstellen.

Wie schon bei den Empfehlungen der Weizsäcker-Kommission zur Bundeswehr wird die Regierung die Empfehlungen der neuen Kommission deshalb kaum völlig missachten, allenfalls moderat davon abweichen. Dass die SPD, die Grünen, die Opposition derweil ihre eigenen Ideen weiter verfolgen, bleibt ihnen unbenommen. Aber sie haben nicht das Gewicht und die öffentliche Beachtung, die sie hätten, wenn es die Kommission nicht gäbe. Und die Regierung muss weniger befürchten, dass ihr ein brisantes Thema die nächsten Wahlen vermasseln könnte.