junge Welt, 13.07.2000

Joseph Fischer und die "Jubelperser"

Der Khatami-Besuch in Berlin.

Ein Kommentar von Jutta Ditfurth

Am 2. Juni 1967 kam der Schah von Persien nach Westberlin. "Jubelperser" droschen auf die außerparlamentarische Opposition ein. Benno Ohnesorg wurde erschossen. Das war der Auslöse r der Studentenrevolte.

Am Montag empfing Joseph Fischer, der opportunistische und herungekommenste Vertreter jener APO, Khatami, de n Präsidenten des iranisch-islamischen Gottesstaates. Und die grün-nahe Heinrich-Böll-Stiftung lud zur Vorbereitung und zum Zwecke der Befriedung und Spaltung möglicher Proteste intellektuelle "Jubelperser" an den Tisch (7. bis 9. April 2000). KritikerInnen der staatlichen religiösen Tyrannei waren bei jener grünen Konferenz nicht erwünscht. Dafür Vertreter des iranischen Geheimdienstes und anderer iranischer Repressionsorgane sowie Kurdenverfolger.

Im März reiste Fischer in den Iran. Er ebnet den Weg und erfüllt die Wünsche des deutschen Kapitals, das in naher Zukunft mit dem Kapital etwa aus Korea und Japan um den höchst profitablen iranischen Markt konkurrieren wird. Auch Kapitalfraktionen aus den USA versuchen, Lockerungen durchzusetzen. 1993 protestierten die Bündnisgrünen noch gegen den "Pakt mit einer Diktatur", als FDP-Abgeordnete in den Iran fuhren.

Wenn der angebliche "Reformkurs" im Iran nur dadurch zu unterstützen ist, daß der Polizeistaat in Berlin und Weimar Amok läuft, ist das noch ein Grund mehr, daß Khatami zu Hause bleibt. Wenn Rot-Grün dennoch auf seinem Besuch besteht, hat Deutschland einige Gründe: Dann sind deutsche Kapitalinteressen der Grund für die Zerstörung von Meinungs-, Demonstrations- und Reisefreiheit.

Wieder ist es die Funktion der Grünen, Kritik zu schleifen. Das Publikum soll glauben, daß es sich bei Khatamis Regierung um ine "Reformregierung" handelt. Rot-Grün will Khatami das Mäntelchen eines Reformers umhängen. Der breite iranische Widerstand gegen die Mullahs - von StudentInnen, Jugendlichen, Frauen, von Intellektuellen und aus der Arbeiterschaft - soll im Bewußtsein der bundesdeutschen Öffentlichkeit dem regierenden Mullah Khatami zugeschlagen werden.

"Reformregierung"? Im Iran werden nach wie vor Todesurteile gegen DemonstrantInnen und Oppositionelle verhängt. Die Menschenrechtssituation hat sich unter Khatami in Wirklichkeit verschlechtert. Oppositionelle Parteien und Zeitungen sind verboten. Der Iran ist ein "Gottesstaat". Oppositionelle werden zu Gegnern Gottes erklärt. Die Gerichte urteilen auf Basis der Scharia. Das schließt Schleierzwang, Hinrichtungen, Verstümmelungen und öffentliche Steinigungen von Frauen - z.B. wegen "Ehebruchs" - ein. Das Patriarchat wird durch den islamischen Fundamentalismus legitimiert. Bei den ach so demokratischen Wahlen im Iran durften nur Frauen wählen, die einen Schleier trugen. Khatamis Regierung hat beschlossen, daß Frauen nur von Frauen medizinisch behandelt werden dürfen. In Zeitungen dürfen keine Porträtfotos von Frauen veröffentlicht werden. Die Forderung nach Gleichberechtigung steht unter Strafe. Nur einer Minderheit von Frauen gelingt es, ein Scheidungsbegehren durchzusetzen. Die neuen deutsch-iranischen Beziehungen, die Joseph Fischer eingeleitet hat, sind ein furchtbarer Hieb ins Gesicht der iranischen Opposition.

Aber um "Menschenrechte" geht es den Grünen ja nur dann, wenn damit ein Krieg gerechtfertigt werden kann.