Badische Zeitung, 13.7.2000

Khatami kann Gefangenen kaum helfen

BZ-Interview mit der Bundestagsabgeordneten Rita Grießhaber über Menschenrechte im Iran

FREIBURG. Oppositionelle Iraner sitzen im Gefängnis, weil sie an einer Konferenz der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin teilgenommen haben. Ob es der Bundesregierung während des Besuchs des iranischen Präsidenten Khatami gelungen ist, ihre Freilassung zu erwirken, wollte Annemarie Rösch von der Bundestagsabgeordneten Rita Grießhaber (Grüne) wissen. Sie ist im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags.

BZ: Hatten Sie Gelegenheit, mit Khatami über die Freilassung der Gefangenen zu sprechen? Grießhaber: Ich selbst bin Khatami nur kurz vorgestellt worden. Außenminister Fischer hingegen hat sich mit Khatami eine Stunde lang unterhalten. Fischer hat ihn sehr direkt auf Menschenrechtsverletzungen - und natürlich auch auf die Gefangenen - angesprochen. Im Moment sind noch drei in Haft, der Journalist Akbar Gandschi, ein Verleger sowie ein Übersetzer, der der Böll-Stiftung geholfen hat, die Konferenz mit den Reformpolitikern zu organisieren. Er selbst war allerdings überhaupt nicht in Berlin. Hinzu kommt eine laizistisch eingestellte Rechtsanwältin aus dem Umfeld der Konferenzteilnehmer.

BZ: Was wird ihnen vorgeworfen?

Grießhaber: In der Anklage steht, sie hätten gegen den Gottesstaat gelästert. Möglicherweise werden ihnen aber auch noch andere Dinge zur Last gelegt. Es gibt unheimlich viele Verbote. Die Lage ist recht unübersichtlich. Man kann eigentlich für alles ein Gesetz finden. Das Strafmaß ist ziemlich unberechenbar.

BZ: Was hat Khatami auf Fischers Anfrage geantwortet?

Grießhaber: Präsident Khatami hat darauf gepocht, dass die Justiz im Iran unabhängig ist. Das ist natürlich auch ein Argument, das unsere Politiker benutzen, wenn sie auf die Verurteilung der iranischen Führung im Berliner Mykonos-Prozess angesprochen werden. Dass die Justiz im Iran unabhängig ist, ist ja auch erst einmal richtig. Allerdings wird der gesamte Justizapparat von den Konservativen dominiert. Und wir wissen, dass es Folter gibt.

BZ: Es sieht also ganz so aus, als wolle - oder könne - Präsident Khatami nichts für die Gefangenen tun?

Grießhaber: Wir dürfen uns keine Illusionen machen, dass Khatami tatsächlich etwas für die Gefangenen tun kann. Er hat keinen großen Einfluss auf die iranische Justiz. Und die, die sie vielleicht beeinflussen könnten, also die Konservativen, sind nicht seine Freunde. Wir dürfen nicht vergessen, dass selbst Reformer aus dem engen Umkreis Khatamis Ziel strafrechtlicher Verfolgung geworden sind.

BZ: Müsste man nicht angesichts dieser desolaten Situation die Menschenrechte in aller Öffentlichkeit ansprechen, statt hinter verschlossenen Türen, wie es beim Khatami-Besuch geschehen ist?

Grießhaber: Der Fall Khatami ist sehr speziell. Khatami gehört zum Machtapparat, beherrscht ihn aber nicht. Er versucht, mit seinen Möglichkeiten das System zu reformieren. Natürlich würden die Konservativen nichts lieber sehen als sein Scheitern. Deshalb haben wir uns für diese Form entschieden. Sie macht ihn für die Hardliner weniger angreifbar.