Berliner Zeitung, 12.7.2000

ASYLBEHÖRDE

Später Dank für frühe Weitsicht im Amt

von Gabriele Rettner-Halder
Albert Schmid strahlt über das ganze Gesicht, während ihm Renate Schmidt einen herzhaften Genossenkuss auf die Wange drückt. Albert Schmid strahlt nicht minder, während Papst Johannes Paul II. seiner kleinen Tochter Maresa bei einer Audienz in Rom die Wange streichelt. Zwei Fotos von einem Mann, der schon immer möglichst hoch hinaus wollte. Am Donnerstag wird er von Bundesinnenminister Otto Schily als neuer Präsident des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eingeführt, und das ist ja schon etwas.

Seit dem ersten Juli steht Schmid den 2 300 Beschäftigten der Asylbehörde in Nürnberg vor. Er hat Hans Georg Dusch abgelöst, einen Beamten, der in den Ruhestand geschickt wurde. Manche Genossen haben deshalb aufgeatmet, denn sie erwarten sich von dem Bundesamt eine sensiblere Art des Umgangs in dem heiklen Bereich.

Im Bundesamt wird über Menschenschicksale entschieden, bisher in insgesamt 135 504 Fällen. Letztes Jahr gingen bei der Behörde 95 113 Erstasylanträge ein, 1992 waren es wegen des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien noch viermal so viel. In jüngster Zeit ist die Zahl der Asyl Suchenden allerdings rückläufig. Schmid, der 54-jährige ehemalige SPD-Parlamentarier aus dem Bayerischen Landtag, ist kein Experte in diesem diffizilen Metier. Aber er ist als Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Regensburg mit den Paragrafen gut vertraut.

Auch mit zerrütteten Beziehungen zwischen Parteifreunden hat er hinreichend Erfahrungen. Als "einzigartig beschissen" umschrieb er

die Situation in seiner SPD Mitte der 90er-Jahre, danach busselte ihn die "rote Renate" nicht mehr freiwillig und offenherzig ab. Dass er sich schon mal eine große Koalition mit der CSU vorstellen konnte, kam in seinen eigenen Kreisen auch nicht so gut an.

In jenen diskussionsfreudigen Tagen war der Jurist ausgerechnet Generalsekretär der bayerischen SPD-Chefin Renate Schmidt. Sein Amt als geschäftsführender Fraktionsvorsitzender im Bayern-Parlament hatte er gerade abgegeben. Der Streit, Teil eins, wurde glimpflich beigelegt, indem Schmid auf seine Rolle im Führungsduo, als Teil des "Schmid(t)einanders" verzichtete. Er habe immer bloß die Nummer eins sein wollen, warfen ihm Parteifreunde hinterher.

Unweigerlich folgte Krach Teil zwei: Renate Schmidt war Mitte der 90er-Jahre fest überzeugt, dass ihre Partei nur mit Rudolf Scharping Wahlen gewinnen kann, Albert Schmid hingegen plädierte öffentlich für Gerhard Schröder. Das mag heute als Ausweis politischer Weitsicht begriffen werden und ihm sicherlich nicht mehr schaden. Doch damals hat es der Chefin gereicht. Sie stellte die Vertrauensfrage, der Generalsekretär trat von seinem Amt zurück.

Schmid, der seine Karriere mit 32 Jahren als Baustaatssekretär unter Kanzler Helmut Schmidt begonnen hatte, war wieder da angelangt, wo er 1990 als SPD-Landtagsabgeordneter begonnen hatte. Wenn SPD-Leute in diesen Tagen die personelle Auszehrung ihrer Partei beklagen, bleibt das Bedauern nicht aus, dass Schmid, ein strategischer Kopf, nicht besser eingebunden werden konnte. Bevor ihn Bundeskanzler Gerhard Schröder am Dienstag nach Ostern anrief, um ihm seine Ernennung zum Präsidenten der Asylbehörde mitzuteilen, wähnten ihn seine Parteifreunde bereits auf gepackten Koffern, um den Weg nach Rom als Botschafter der Bundesrepublik beim Vatikan anzutreten.

Dieses Amt hätte mehr "ornamentativen" Charakter gehabt, wurde Schmid vom Kanzler getröstet. Denn Schmid hätte sich als bekennender Katholik beim Heiligen Vater durchaus wohl gefühlt.

Doch die neue Aufgabe lockt ihn noch mehr. Er spricht von sich als einem "klassischen Juristen" und vom neuen Amt als einer "Spitzenposition" - zumal das Berliner Innenministerium daran denkt, seinen Verantwortungsbereich womöglich auszuweiten, falls es ein neues Einwanderungsgesetz geben sollte.

Der Weg nach Hause zu Frau und zwei Töchtern, die im oberpfälzischen Laaber ein Häuschen im Grünen bewohnen, ist auch nicht allzu weit. Der Klassenprimus, der über "das Repräsentativsystem als Verfassungsprinzip" promovierte, hat richtig auf Schröder gesetzt.