Badische Zeitung, 12.7.2000

Abschiebung von EU-Bürgern

Bequeme Lösung

Die deutschen Rechtsbehörden sind immer noch nicht in Europa angekommen. Das zeigt ihr unterschiedsloser Umgang mit ausländischen Straftätern. Italiener? Türke? Algerier? Egal: wer sich bestimmter schwerer Straftaten schuldig gemacht hat, wird ins Flugzeug oder in den Zug gesteckt und in sein Heimatland abgeschoben. Dabei bemüht sich die Politik doch um ein Europa ohne Grenzen. Aber baden-württembergische Regierungspräsidien wissen davon nichts: Das alte nationalstaatliche Instrument der Abschiebung gilt ihnen als legitimes Mittel, Kriminelle loszuwerden. Die Klagedrohung der EU-Kommission gegen diese Praxis ist daher vollauf gerechtfertigt. Aber es gibt auch eine menschliche Seite, die den Aberwitz dieser Abschiebungen erst recht verdeutlicht. So empfinden Kriminelle mit italienischem Pass das Land, in das sie abgeschoben werden, nicht als Heimat, sondern als ein ihnen fremdes Land, dessen Sprache sie nicht beherrschen und das für sie auch gesellschaftlich nicht verantwortlich ist. Denn sie sind in Deutschland geboren, sind hier aufgewachsen - sind eigentlich Deutsche, nur fehlt ihnen die Urkunde. Straffällig geworden, werden sie nach ihrer Haft gleichsam verbannt: eine zweite Bestrafung also. Zudem eine, die dauerhaft eine Rückkehr in bürgerliche Normalität versperrt. Denn in Italien sind solche vorbestraften Menschen mangels Sprachkenntnisse erst recht ohne Chance.

Wulf Rüskamp