Tagesspiegel, 11.7.2000

Waldbrände

Griechenland und Türkei in Flammen

Susanne Güsten

Gelblicher Rauch verschleiert die Sonne. Immer wieder tauchen die Löschflugzeuge in die Schwaden ein, setzen zum Anflug an - und müssen dann viel zu früh wieder hochziehen, um nicht im dichten Rauch die Orientierung zu verlieren. Die Hubschrauber kommen den Brandstellen zwar näher, schwanken aber im böigen Wind und haben den größten Teil ihrer Wasserladung schon verloren, bevor sie ihr Ziel erreichen. Niedergeschlagen verfolgen Anwohner und Helfer die Löscharbeiten auf der griechischen Insel Samos. Dutzende Häuser und mehr als 5000 Hektar Wald und Felder hat das Feuer bereits verschlungen. Und es sieht nicht so aus, als wären die Flammen bald unter Kontrolle zu bekommen. Sommerzeit ist Waldbrandzeit am östlichen Mittelmeer, doch die Situation wird in jedem Jahr schlimmer. Allein in Griechenland loderten in den vergangenen Tagen über hundert Feuer. Auf der Peloponnes-Halbinsel, auf der Insel Korfu und in Zentralgriechenland brannte es. Das Innenministerium rief den Notstand aus, das Militär rückte zu Löscharbeiten an, und die beiden wichtigsten Verkehrsadern des Landes mussten gesperrt werden. Nicht viel besser sieht es in der Türkei aus, wo schon seit einem Monat immer wieder Wälder lodern. Fast täglich bricht im türkischen Mittelmeergebiet ein neuer Waldbrand aus. Besonders gefährdet sind die Buchten um Marmaris und Fethiye, die zu den schönsten Urlaubsgebieten des Landes zählen. Mehr als tausend Waldbrände jährlich verzeichnet eine Statistik des türkischen Forstministeriums im Durchschnitt der vergangenen 65 Jahre; in den vergangenen Jahren brannte es schon fast doppelt so oft. Auch in Griechenland wurden in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren immer neue Verwüstungsrekorde erreicht. Allein in diesem Monat brachen dort 70 Prozent mehr Brände aus als im Vorjahr.

Schuld ist meist der Mensch. Nur drei Prozent aller Waldbrände in den vergangenen 65 Jahren wurden von der Natur - etwa durch Blitzschlag - verursacht, ermittelte das türkische Forstministerium. Umweltschützer stimmen dieser Analyse zu. "Waldbrände mögen in der Vergangenheit ein natürliches Phänomen gewesen sein", sagt der Experte der Umweltorganisation ENN, Jesus San Miguel. "Heutzutage ist das nicht mehr so. Die meisten Feuer im Mittelmeerraum werden von Menschenhand verursacht."

Das glauben auch die Bewohner von Samos. Und sie meinen auch zu wissen, wessen Hände da am Werk waren. Unmut gegen die Touristen macht sich breit. Gerüchte von weggeworfenen Zigaretten und Picknickfeuern der Ausländer machen bei den Zuschauern der Löscharbeiten die Runde.

Doch ganz so einfach ist die Schuldfrage nicht zu beantworten. Zwar wird der türkischen Statistik zufolge tatsächlich gut ein Drittel aller Waldbrände durch Achtlosigkeiten ausgelöst, doch trifft das auch für nicht-touristische Gebiete zu. Der größte Anteil aller Brände wird von "einheimischen" Bräuchen wie Hirtenfeuern und dem Absengen von Stoppelfeldern verursacht. Und eine wachsende Gefahr sind Brandstiftungen, deren Zahl in die Höhe geschnellt ist - und zwar in Griechenland wie in der Türkei. Immer öfter werden in beiden Ländern die Staatsanwaltschaften eingeschaltet, weil vor allem in touristisch interessanten Regionen und in begehrten Wohngegenden oft Bau- und Immobilieninteressen hinter den Feuern stecken: Ist der Wald erst einmal abgebrannt, so das Kalkül der Brandstifter, dann könnten die zuvor noch geschützten Flächen bald als Bauland freigegeben werden.

Ob sie nun achtlos, ahnungslos oder kriminell sind - die große Frage ist, was gegen die Brandverursacher zu tun ist. Die Türken versuchten es bisher mit Härte: Zündeln am Wald wird in der Türkei mit langjährigen Haftstrafen belegt und auch bei fahrlässiger Brandstiftung scharf geahndet. Mittels eines eigenen Verfassungsartikels sind verurteilte Waldbrandstifter sogar explizit von allen staatlichen Amnestien ausgeschlossen. Genützt hat dies bisher aber nichts.

Für dieses Jahr versuchte es der Gouverneur von Antalya daher anders und erklärte den Wald in seiner Provinz bis zum 31. Oktober zur Sperrzone, die außer von Forstarbeitern nicht mehr betreten werden darf.

Doch brennt der Wald, ist es meist schon zu spät, meinen Umweltschützer. Eine nachhaltige Forstpolitik sei der einzig wirksame Schutz. Zwar gehören die braunen Streifen der Brandschutzschneisen in den grünen Küstenwäldern inzwischen zum mediterranen Landschaftsbild, doch wird nach Überzeugung von Umweltschützern längst nicht genug getan, um den Wald zu retten. Die Umweltorganisation WWF fordert von der griechischen Regierung unter anderem die Klärung der Besitzverhältnisse am Wald, die Erstellung von Waldkarten, die Aufstellung einer nationalen Waldbrandwehr und öffentliche Aufklärung.

Immerhin standen am Montag zwei türkische Löschflugzeuge zum Einsatz auf Samos bereit, das nur wenige Kilometer vom türkischen Festland entfernt ist. Für eine alte Frau auf Samos kommt das allerdings zu spät. Sie verbrannte in ihrem Haus im Dorf Mavratzai bei lebendigem Leibe.