Frankfurter Rundschau, 11.7.2000

Berlin erhöht Iran-Bürgschaften

Schröder und Khatami wollen wirtschaftliche Zusammenarbeit ausbauen

Von Richard Meng

Mit der Ankündigung einer verstärkten deutsch-iranischen Zusammenarbeit in Wirtschaft und Kultur hat am Montag der Staatsbesuch von Irans Staatspräsident Mohammad Khatami in Berlin begonnen. In der Hauptstadt demonstrierten rund 7000 Exil-Iraner gegen die Visite.

BERLIN, 10. Juli. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Khatami kündigten am Montagnachmittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz einen "dynamischen Ausbau" der Wirtschaftsbeziehungen an. Schröder sagte, es gebe eine "sehr gute Tradition" in den deutsch-iranischen Beziehungen, an die jetzt "im Respekt vor den wechselseitigen Kulturen" wieder angeknüpft werden solle.

Khatami äußerte, Iran sei heute ein "stabiles Land, entschlossen zum Fortschritt". Teheran wolle mit Deutschland zusammenarbeiten, und seine Reise solle dafür "Zeichen setzen". Zugleich hob Khatami die wichtige Rolle der Europäischen Union in einer "multipolaren Welt" hervor, was als Hinweis darauf gilt, dass die iranische Außenpolitik durch die Kooperation mit EU-Ländern auch den weltweiten Einfluss der USA mindern möchte.

Schröder sagte eine Verbesserung staatlicher deutscher Hermes-Bürgschaften für Investitionen deutscher Firmen in Iran zu. Der Rahmen für diese Bürgschaften werde von derzeit 200 Millionen Mark auf eine Milliarde Mark erhöht. Auch solle die deutsch-iranische Wirtschaftskommission ihre Arbeit wieder aufnehmen. Das 1988 ausgehandelte, aber nie in Kraft gesetzte deutsch-iranische Kulturabkommen solle jetzt "den neuen Bedingungen angepasst" werden, sagte Schröder. Außerdem sei ein verstärkter Austausch von Wissenschaftlern geplant.

Der Kanzler vermied eine öffentliche Kritik an der Menschenrechtspolitik Irans und erklärte, es gebe "große Felder einer wirklich erfolgreichen Zusammenarbeit".

Nach Angaben aus Regierungskreisen sollten in den Gesprächen mit Khatami auch langfristige Kooperationsmöglichkeiten beim Umweltschutz und beim Aufbau rechtstaatlicher Strukturen besprochen werden. Weiteres Thema soll demnach der von der USA bislang "massiv blockierte" iranische Wunsch nach Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO sein.

Wann das Goethe-Institut in Teheran wieder geöffnet werden kann, das von Iran geschlossen worden war, ließ Khatami offen. Es müssten erst noch "gesetzliche Hindernisse" für eine vergleichbare iranische Einrichtung in Deutschland aus dem Weg geräumt werden.

Zu den zahlreichen Demonstrationen iranischer Oppositioneller in Berlin sagte Khatami, er werde "nicht dagegen protestieren, wenn jemand friedlich seine Meinung zum Ausdruck bringt". Bezogen auf die oppositionellen Volksmudschaheddin sagte er aber auch, er hoffe nicht, dass Organisationen, die Iran in den 80er Jahren "mit einer Terrorwelle überzogen haben", irgendwo in der Welt "die Chance bekommen, aktiv zu werden".

Am Vormittag war Khatami von Bundespräsident Johannes Rau am Flughafen Tegel mit militärischen Ehren empfangen worden. Nach einem Gespräch äußerten beide Politiker die Hoffnung auf einen Neuanfang der bilateralen Beziehungen.

In der Nacht zum Montag hatte die Berliner Polizei laut Agenturberichten die Wohnungen zahlreicher iranischer Oppositioneller durchsucht. Dabei habe es auch Festnahmen gegeben, berichtete ein Polizeisprecher. Der iranische Nationale Widerstandsrat teilte mit, dutzende Regimegegner seien festgenommen worden. Laut den Angaben der Oppositionsgruppe durften vor dem Besuch Khatamis mehr als 8000 Iraner nicht nach Deutschland einreisen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) appellierte an die Bundesregierung, bei den Gesprächen mit Khatami die Einhaltung der Menschenrechte in Iran einzufordern. Vor allem müsse auf Verbesserungen im Justizsystem und das Recht auf freie Meinungsäußerung gedrängt werden, forderte die Generalsekretärin der deutschen AI-Sektion, Barbara Lochbihle.