web de 10.07.2000 21:28

Barak übersteht Misstrauensvotum am Vorabend des Nahost-Gipfels

Opposition verfehlt notwendige Stimmenzahl - Nach Debatte Abflug nach Camp David

Jerusalem (AP)

Israels Ministerpräsident Ehud Barak hat am Vorabend des Nahost-Gipfels in den USA ein Misstrauensvotum im israelischen Parlament überstanden. Der vom oppositionellen Likud-Block eingebrachte Antrag erhielt am Montagabend in der Knesset nur 54 statt der notwendigen 61 Stimmen. Gegen den Antrag stimmten 52 Abgeordnete; sieben enthielten sich, sieben weitere waren nicht anwesend. Sofort nach der Abstimmung machte sich Barak auf den Weg zum Gipfeltreffen nach Camp David. Likud und andere Parteien befürchten, dass Barak bei den bevorstehenden Friedensverhandlungen unter Vermittlung von US-Präsident Bill Clinton dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat zu große Zugeständnisse macht. Vor seinem Abflug erklärte Barak auf dem Flughafen, er befinde sich auf einer "Mission für den Frieden". In der hitzigen Parlamentsdebatte hatte er zuvor gesagt, er reise nicht allein in die USA. "Mit mir sind knapp zwei Millionen Wähler - Bürger, die Frieden wollen und auf ein anderes Israel hoffen, das in Frieden mit seinen Nachbarn lebt." Ein zweiter Misstrauensantrag, der von der rechtsgerichteten Partei Jisrael Beitenu eingebracht worden war, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Ursprünglich sollte auch über diesen Antrag am Montag abgestimmt werden. Hintergrund für die Aussetzung der Abstimmung war offenbar die Einschätzung, dass dieses Misstrauensvotum wie das vorausgegangene scheitern würde. Die innenpolitische Krise ist für Barak aber nach dem Scheitern des Misstrauensantrags der größten Oppositionspartei längst nicht beigelegt, nachdem am Sonntag drei Koalitionsparteien ihren Ausstieg aus der Regierung erklärt haben. Der Premier wollte nach seiner Rückkehr aus Camp David Gespräche mit den gemäßigten Oppositionsparteien aufnehmen und eventuell eine neue Koalition bilden. Auftrieb erhielt Barak durch eine am Montag von der Tageszeitung "Jediot Achronot" veröffentlichte Meinungsumfrage. Darin bejahten 55 Prozent der Befragten die Frage, ob Barak trotz der jüngsten innenpolitischen Entwicklung zum Gipfel nach Camp David bei Washington reisen solle. 45 Prozent waren der gegenteiligen Ansicht. 53 Prozent erklärten, Barak habe auch nach dem Verlust der parlamentarischen Mehrheit noch ein Mandat für Konzessionen an die Palästinenser; 44 Prozent verneinten dies. Barak hatte wegen der Misstrauensvoten seine ursprünglich bereits für Montagmorgen geplante Abreise in die USA verschoben. Er erklärte, er habe sein Mandat nicht vom Parlament, sondern vom Volk erhalten, da er mit großer Mehrheit direkt gewählt worden sei. Clinton vor Dreier-Gipfel optimistisch (Washington) US-Präsident Clinton betonte unterdessen, er halte trotz der Regierungskrise in Israel ein Friedensabkommen zwischen Barak und Arafat für möglich. Eine Mehrheit der Israelis wolle, dass Barak den Frieden erreiche, sagte Clinton. Der Nahost-Friedensprozess sei zwar derzeit vielleicht das schwierigste Problem der Welt, räumte er ein; dennoch hätten Barak und Arafat "die Vision, das Wissen, die Erfahrung, das Können und einfach den Mumm, das Nötige zu tun, um ein Abkommen zu erreichen". Der Gipfel zwischen Barak, Arafat und Clinton beginnt am (morgigen) Dienstag in Camp David bei Washington. Die Dauer der Verhandlungen ist noch nicht festgelegt.