SPIEGEL online, 7.8.2000

Wirbel um Chatami

Zum ersten Mal seit 1967 kommt am Montag ein iranisches Staatsoberhaupt nach Deutschland. Der Besuch löste im Vorfeld bereits Hoffnung, aber auch Proteste aus. Aus Sicherheitsgründen wird sich Präsident Mohammed Chatami fast nur im Hubschrauber fortbewegen.

Berlin - Exil-Iraner haben bereits Demonstrationen angekündigt. Es gebe aber "keinerlei Indizien" dafür, dass Teheran den Besuch aus Sicherheitsgründen kurzfristig absagen werde, hieß es in Regierungskreisen. Aus Protest gegen die Visite besetzten zehn Exil-Iraner einen Raum des deutschen Konsulats in Amsterdam.
Chatami kommt als erstes iranisches Staatsoberhaupt seit dem Schah 1967 nach Berlin. Claudia Roth, die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, begrüßte den Besuch und wies Ausladungsforderungen verschiedener Abgeordneten als einen Fehler zurück. Die Grünen-Politikerin sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Ich glaube tatsächlich, dass er versucht, eine Öffnung des Landes und eine Demokratisierung hinzubekommen." CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz erklärte im ARD-Morgenmagazin: "Wir haben ein prinzipielles Interesse daran, die traditionell guten Beziehungen zum Iran weiter fortzusetzen."

Es sei ein "Neuanfang nach schwieriger Zeit", hieß es in Regierungskreisen. Die Beziehungen zwischen Iran und Deutschland waren jahrelang durch das "Mykonos"-Urteil und die Inhaftierung des deutschen Geschäftsmannes Helmut Hofer in Iran belastet. Bundeskanzler Gerhard Schröder wolle auch Probleme wie Menschenrechte, Rüstungskontrolle und Terrorismus ansprechen.

Der iranische Präsident landet am kommenden Montag auf dem Berliner Flughafen Tegel. Dort wird er von Bundespräsident Johannes Rau mit militärischen Ehren empfangen, weil im Schloss Bellevue dann die Vorbereitungen für das jährliche Sommerfest laufen. Zunächst vorgesehen sind Gespräche mit Rau, Schröder und Außenminister Joschka Fischer. Abends trifft sich Chatami mit der iranischen Gemeinde. Er war 1978 Direktor des Islamischen Zentrums in Hamburg und spricht Deutsch.

Wirtschaft will an "frühere Höhenflüge" anknüpfen

Deutschland wolle "pragmatisch und schrittweise" wieder das Verhältnis zu Teheran ausbauen, hieß es. Iran mit seinen 63 Millionen Einwohnern hat durch seine Nachbarn - im Westen der Nato-Staat Türkei, im Norden GUS-Republiken und im Osten Pakistan und Indien - eine wichtige strategische Bedeutung. Zunächst stünden Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund. Deutsche Firmen wollten an "frühere Höhenflüge" anknüpfen.

Nach der Aufstockung der Hermes-Bürgschaften im Frühjahr halten es Regierungskreise für möglich, "dort noch etwas zu tun". Auch soll das Investitionsschutzabkommen aktualisiert werden. Deutschland möchte darüber hinaus so rasch wie möglich ein Goethe-Institut eröffnen. Langfristig wird eine neues Kulturabkommen angestrebt.