Westfälische Rundschau, 8.7.2000

Ihr größter Wunsch: Zurückkehren in eine friedliche Heimat

Unna. (fpf) Der Leidensweg der Familie Eren begann 1991. Damals flüchtete Medeni Eren erstmals nach Deutschland, stellte Asylantrag, wurde abgelehnt, abgeschoben, tauchte in Istanbul unter. Die türkische Polizei verhörte, prügelte, vergewaltigte seine Frau. Besra Eren verlor das Kind, das sie im 5. Monat in ihrem Bauch trug. Narben zeugen von den Zigaretten, die die Peiniger ihr auf den nackten Beinen ausdrückten.

Noch schlimmer sind die seelischen Narben. Wenn sie nachts die Heizung knacken hört, wenn auf der Straße eine Autotür geschlagen wird, springt Besra Eren auf, rennt zum Fenster. Angst vor Polizei.

Schon einmal stand die Familie unmittelbar vor der Abschiebung, saß bereits im Flugzeug gen Heimat, als Besra Eren kollabierte. Der Pilot weigerte sich, die ohnmächtige Frau zu befördern. Die Ärzte im Krankenhaus bescheinigten ihr Reiseunfähigkeit. Rettung in letzter Sekunde. Wie die deutsche Polizei sie damals behandelte, "wie Schwerverbrecher", haben sie nicht vergessen. Trotzdem hat Medeni Eren Verständnis für die deutschen Behörden. "Klar, dass sie nicht jedem, der Asyl begehrt, einfach glauben können."

Sein Eindruck von Deutschland ist ungebrochen positiv. "Hier werden Menschenrechte geachtet, die Leute leben in Freiheit und Demokratie. Glauben Sie mir, wenn das in unserer Heimat so wäre, wir würden noch heute zurückkehren." Friede zwischen Türken und Kurden, das ist der größte Wunsch der Familie. Wieder in ihrem kleinen Bergdorf Sukonak in der Provinz Erzurum leben zu können, "zu wissen, wo wir eigentlich hingehören", die Kinder Rizan (11), Gülgin (10), Özgür (8), Maslum (6) und Yonka (4) zur Schule schicken zu können: Mehr wollen sie gar nicht.

Ihre Existenz neu aufzubauen, dazu wären sie jung genug. Medeni und Besra Eren besaßen Kühe und Schafe, einige Hektar Land, auf denen sie Kartoffeln, Gemüse, Getreide anbauten. "Und was man so braucht zum Leben." Die Erzeugnisse verkauften sie in einem kleinen Laden. "Wir hatten ein kleines Haus und ein gutes Einkommen", sagt der Familienvater. Doch die türkischen Soldaten fackelten seinen Laden ab, weil er eine kurdische Zeitung verkaufte - und Musik-Cassetten eines populären kurdischen Sängers.

Längst liegt das halbe Dorf in Schutt und Asche. Wer sich weigerte, für die Türken und gegen die Kurden zu kämpfen, dem wurde das Dach überm Kopf angezündet. 20 Familien aus Sukonak leben inzwischen in Deutschland. Der Bruder von Medeni Eren und einige Neffen wurden im Handumdrehen als politisch Verfolgte anerkannt. Ebenso der Schwager.

Seine Schwester ist schon tot. Sie starb, hochschwanger, auf dem Weg zum Krankenhaus. Ihr "Fehler": Spät abends stellten sich die Wehen ein. Doch in der Region herrschte ab 17 Uhr Ausgangssperre. Die türkische Polizei hielt den Wagen an, nahm Mann und Bruder fest, ließ die junge Frau verbluten.

Dass Familie Eren das Asyl bisher verweigert wird, riecht nach Behördenwillkür. Immerhin: Die Paul-Gehardt-Gemeinde gab ihnen neue Hoffnung. "Wir sind den Menschen in Unna zu Dank verpflichtet", sagt Medeni Eren. "Wie sie sich um uns kümmern, das werden wir ihnen nie vergessen."