Die Presse, 03.07.2000

Teheran gerät nach Spionageprozeß gegen Juden unter Druck

Die Urteile gegen die des Hochverrats bezichtigten iranischen Juden lösten internationale Kritik aus.

Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN

ISTANBUL/SCHIRAS. Heftige internationale Proteste hat der Urteilsspruch eines Revolutionsgerichts in Schiras gegen eine Gruppe iranischer Juden ausgelöst, die der Spionage für Israel für schuldig befunden wurden. Der 30jährige Schuhhändler Dani Tefilin und der 54jährige Englischlehrer Ascher Sadmehr wurden zu je 13 Jahren Haft verurteilt. Acht Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen vier und elf Jahren. Drei der Angeklagten wurden freigesprochen. Sie befanden sich bereits seit Februar gegen Kaution auf freiem Fuß. Ebenfalls freigesprochen wurden zwei angeklagte Moslems, zwei weitere Moslems erhielten zweijährige Gefängnisstrafen. Die Verteidiger wollen nun vor ein Berufungsgericht. In einer 71 Seiten langen Urteilsbegründung, die nur zum Teil veröffentlicht wurde, wird den Juden vorgeworfen, zu einem seit 20 Jahren bestehenden Spionagering zu gehören, der militärische Informationen für Israel gesammelt habe. Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten auch Sabotage und Vorbereitungen zur Vergiftung des Trinkwassers von Schiras vorgeworfen. Obwohl die iranischen Juden nicht zum Tode verurteilt wurden, wie viele Beobachter befürchtet hatten, reagierte die internationale Gemeinschaft bestürzt. Israels Premier Ehud Barak forderte Druck auf Iran, um "die Freilassung der unschuldigen Gefangenen" zu erreichen. US-Präsident Bill Clinton verlangte die Aufhebung der ungerechten Urteile. Die Niederlande riefen zu einer gemeinsamen EU-Reaktion auf. Die Botschafter der Union trafen in Teheran zu Konsultationen zusammen. Irans Außenministerium wies die Vorwürfe zurück und warf Israel feindliche Propaganda vor.

Fragwürdiges Verfahren

Das Verfahren in Schiras war öffentlich nicht zugänglich - aus Sicherheitsgründen, wie die iranischen Behörden argumentierten. Es gab Hinweise darauf, daß die Angeklagten gefoltert wurden. Mehrere Angeklagte legten ohne vorherige Beratungen mit ihren Anwälten Geständnisse ab, die im TV gezeigt wurden. Viele Beobachter sahen den Prozeß auch als Teil des schwelenden Machtkampfes zwischen Konservativen und Reformern im Iran. In der Tat dürfte das Urteil den für den 10. bis 12. Juli geplanten Berlin-Besuch des reformorientierten iranischen Präsidenten Mohammed Khatami nicht gerade erleichtern.