Neue Zürcher Zeitung, 01.07.2000

Ringen um die Macht des Internationalen Strafgerichts

Ausnahmen für amerikanische Bürger?

Tz. New York, 30. Juni

Bei den New Yorker Beratungen über die genauen Organisations- und Verfahrensregeln für den Internationalen Strafgerichtshof hat die amerikanische Delegation einen Kompromiss im Ringen um die Kompetenzen der neuen Institution angekündigt. Nach Darstellung des für das Thema Kriegsverbrechen zuständigen amerikanischen Botschafters Scheffer wurde praktisch eine Fortsetzung der Verhandlungen über die von den USA geforderte Immunität amerikanischer Staatsangehöriger vereinbart; darüber kann nun auch noch während der Schlusstagung der für die Verfahrensregeln zuständigen Vorbereitungskommission im November und Dezember weiter debattiert werden. Diese Tagung wird sich unter anderem mit dem Budget des Gerichts, seinen Immunitäten und Privilegien sowie mit seinem rechtlichen Verhältnis zu den Vereinten Nationen beschäftigen. Bisher galt der 30. Juni als Schlusstermin für die Verhandlungen über den Status von Bürgern der Vereinigten Staaten, die 1998 an der Römer Gründungskonferenz neben sechs anderen Staaten (darunter China und Israel) gegen die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs gestimmt hatten.

Von vierzehn Staaten ratifiziert

Scheffer sagte, dass die Kommission nun doch eine Regel abgesegnet habe, die dem Strafgerichtshof bei der Festnahme und Auslieferung mutmasslicher Verbrecher die Kompetenz zu Sonderarrangements mit einzelnen Staaten zugestehe. Damit sei die Tür zu einer Ausnahmeregelung für amerikanische Staatsbürger aufgestossen worden. Eine solche Sonderregelung ist jedoch noch immer höchst umstritten; viele Uno-Diplomaten und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen beklagten am Freitag, dass durch solche Regelungen die Universalität und Abschreckungskraft des neuen Gerichtshofes erst recht massiv untergraben würden. Allerdings liessen sich insbesondere die europäischen Staaten dann doch auf eine Fortsetzung der Verhandlungen ein, weil sie befürchten mussten, dass ein Gerichtshof ohne jegliche Kooperation der Amerikaner ohnmächtig wäre; im amerikanischen Kongress ist vom republikanischen Senator Jesse Helms bereits eine Vorlage eingebracht worden, welche der amerikanischen Administration jede Zusammenarbeit mit dem Gericht untersagt.

Seit der Römer Konferenz haben 97 Staaten (darunter die Schweiz) das Abkommen zum Internationalen Strafgerichtshof unterzeichnet, und 14 haben es bereits ratifiziert. Für ein Inkrafttreten sind 60 Ratifikationen erforderlich. Die USA begründeten ihr damaliges Nein damit, dass das Römer Statut ihre Souveränität ungebührlich einschränke, ihre Beteiligung an internationalen Militäroperationen gefährde und insbesondere die Gefahr in sich berge, dass amerikanische Soldaten Opfer willkürlicher oder rein politisch motivierter Verfahren des neuen Gerichts würden.

Trotz der Nichtmitgliedschaft der USA könnten amerikanische Staatsbürger vom neuen Statut betroffen sein. Das Gericht kann nämlich nicht nur gegen Bürger eines Signatarstaates vorgehen; möglich sind auch Verfahren wegen Straftaten, die in einem Unterzeichnerstaat begangen wurden, oder Prozesse gegen Angeschuldigte, die sich in einem Signatarstaat aufhalten.