Frankfurter Rundschau, 30.06.2000

Kommentar

Konsens mit Fußangeln

Erst die Praxis entscheidet über den Wert der Waffenexportvereinbarung der europäischen Staaten - dabei wird es auch auf den Mut der Bundesregierung ankommen

Von Richard Meng

Ein neues Projekt braucht neue Regeln. Es ist also nur logisch, dass dieselben Regierungen, die immer mehr auf eine gemeinsame Rüstungsindustrie setzen, jetzt auch den Waffenexport gemeinsam angehen. Herausgekommen ist ein Vertragstext, der auf den ersten Blick in beruhigender Klarheit jedem beteiligten Staat ein formalisiertes Vetorecht einräumt. Das war überfällig, wie die bisherige Hilflosigkeit der deutschen Regierung bei Kooperationsprojekten zeigt. Aber erst die Praxis entscheidet über den Wert der Vereinbarung. Und da bleiben beim schönen Konsensprinzip allerlei Fußangeln.

Über Rüstungsfragen wird im Frühstadium extrem geheim verhandelt. Da kann es für parlamentarische Kontrolle oder gar öffentlichen Druck schnell zu spät sein; denn auch die Liste der zulässigen Exportadressen wird ja sehr früh erstellt. Besonders der Umgang mit schon existierenden Waffensystemen wird jetzt zum Prüfstein. Präzedenzfälle werden entstehen, wenn einzelne Länder ihre bisherige Praxis nach den neuen Regeln absichern wollen. Und weil sogar das Existenzinteresse der Rüstungsindustrie auf Europa-Ebene ausdrücklich berücksichtigt werden soll, ist die Gefahr groß, dass Projekte mit Mini-Zulieferungen flugs zu europäischen erklärt werden, nur um schärferen nationalen Richtlinien zu entgehen.

Allein auf den Mut der Bundesregierung wird es ankommen. Theoretisch kann sie sich quer legen, aber diese Theorie ist grau. Ohne Druck von außen sind es nur Regeln für den Export. Die Zivilgesellschaft bleibt gefragt, die der Kanzler so gerne beschwört.