Bremer Nachrichten, 30.06.2000

Gute Taten kommen manchmal ganz schlecht an

Deutscher Türkei-Botschafter nach Entwicklungs-Engagement in Kurdistan unter Medien-Beschuss

Von unserer Korrespondentin Susanne Güsten

Istanbul. Botschafter Rudolf Schmidt hatte die besten Absichten. In der südosttürkischen Regionalhauptstadt Diyarbakir wohnte der deutsche Diplomat zusammen mit dem kurdischen Bürgermeister der Stadt in dieser Woche der feierlichen Grundsteinlegung für ein Abwasserklärwerk bei, das über die Kreditanstalt für Wiederaufbau von der Bundesregierung finanziert wird. Das 40 Millionen Mark teure Projekt soll einen Beitrag zum Wiederaufbau der nach 15-jährigem PKK-Krieg verwüsteten Kurdenregion leisten, der auch von Ankara als wichtigster Schritt zu einem echten Frieden beschworen wird. Wie schwer es aber ist, es den Türken in der heiklen Kurdenfrage recht zu machen, zeigten die Reaktionen der türkischen Presse am Mittwoch: Der Botschafterbesuch sei zu einer regelrechten Kurdenkundgebung geraten, berichteten die Zeitungen empört.

Schmidt ist nicht der erste Auslandsvertreter, dessen gute Taten für das Kurdengebiet anderswo in der Türkei schlecht ankommen. US-Botschafter Marc Parris handelte sich erst vor einem Monat mit der angestrebten Eröffnung einer Wirtschaftsbörse in Diyarbakir Schwierigkeiten mit der türkischen Regierung ein, und auch eine Kommission des EU-Parlaments strich unlängst wegen Unstimmigkeiten mit Ankara kurzfristig einen Termin im Südosten.

Der ständige Ärger illustriert, wie schwer sich die Türkei ein Jahr nach dem Todesurteil gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan noch immer mit der Entscheidung zwischen Krieg und Frieden tut: Einerseits wollen die Türken den Südosten wirtschaftlich stärken und dauerhaft befrieden, was sie aus eigener Tasche kaum schaffen können; andererseits argwöhnen sie hinter jedem Hilfsangebot aus dem Ausland noch immer finstere Absichten auf ihre territoriale Integrität.

Botschafter Schmidt traf es mit dem Presseecho auf seinen ersten Besuch im Südosten seit seinem Amtsantritt vom Frühjahr am Mittwoch aber besonders hart. "Eine Veranstaltung wie eine Newroz-Kundgebung" sei die Grundsteinlegung gewesen, beschwerte sich etwa das Boulevardblatt "Star". Tausende Zuschauer waren zu der Feier mit dem populären Bürgermeister Feridun Celik von der Kurdenpartei Hadep geströmt und hatten trotz Anwesenheit des Vizegouverneurs keinen Hehl aus ihren weiteren Forderungen für die Befriedung der Region gemacht: "Weg mit der Todesstrafe, Freiheit für die Gefangenen", "Unterricht in der Muttersprache" und "Aufhebung des Ausnahmezustands, Auflösung der Dorfmilizen" verlangten sie in Sprechchören und auf Plakaten. Auch der Ruf nach "Freiheit für Öcalan" ertönte zur Verärgerung der türkischen Seite. Beim Besuch von Ministerpräsident Ecevit in der Region letzte Woche waren mehrere Rufer dieser Parole festgenommen worden; in Anwesenheit des deutschen Botschafters war das schlecht möglich. Boshaft schrieb das Revolverblatt "Star", das den Fakten oft nachhilft, dem Publikum dafür noch die Forderung nach freier Einreise in die Bundesrepublik zu.