Frankfurter Rundschau, 28.06.2000

Union verstärkt Angriffe auf Asyl

Rau widerspricht vehement / CSU attackiert Süssmuth

Aus der Union mehren sich die Forderungen, die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz mit der Asylfrage zu verknüpfen. Bundespräsident Johannes Rau sprach sich am Dienstag strikt dagegen aus. Zugleich hielt die Kritik in der Union an der Entscheidung der CDU-Politikerin Rita Süssmuth an, den Vorsitz der Zuwanderungskommission zu übernehmen.

BERLIN, 27. Juni (ap/rtr/dpa). Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, warf der ehemaligen Bundestagspräsidentin Süssmuth in der Rheinischen Post vor, sie habe vergessen, "wem sie ihre gesamte politische Laufbahn zu verdanken hat". Auch Berlins Innensenator Eckhart Werthebach sprach sich gegen die Berufung Süssmuths an die Spitze der Kommission aus.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) plädierte erneut dafür, die Einwanderungsdebatte mit der Asylfrage zu verknüpfen. Der Leiter der neugegründeten CDU-Einwanderungskommission sagte am Dienstag: "Bei der Feststellung der sozial verträglichen Zuwandererzahl darf das Asylrecht nicht außen vor gelassen werden." Auch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte, Asylrecht und Einwanderung könnten nicht strikt getrennt werden. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos plädierte für eine Änderung des Grundgesetz-Artikels 16: "Wir wollen, dass politisch Verfolgte weiterhin Asyl erhalten, aber das muss nicht gleichzeitig in der Verfassung garantiert werden."

Kritik an der Haltung der Union kam von Heiner Geißler und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel Friedman (CDU). Beide lehnten es ab, die Einwanderung auf Kosten des Asylrechts neu zu regeln. Geißler empfahl Süssmuth im Deutschlandfunk indirekt den Vorsitz der Kommission auch gegen den Widerstand der eigenen Partei anzunehmen - aber nur, wenn sie alleinige Vorsitzende und nicht nur, wie am Montag berichtet worden war, Co-Präsidentin neben Hans-Jochen Vogel (SPD) werde. Auch Friedman bedauerte das Nein seiner Partei zur Berufung Süssmuths.

Bundespräsident Johannes Rau warnte eindringlich davor, Zuwanderung und Asyl zu vermengen. Es dürfe "auf keinen Fall dazu kommen, dass man Asyl gegen Einwanderung aufrechnet", sagte Rau im NDR. Ein Asylsuchender sehe seinen Leib und sein Leben bedroht. "Den kann man nicht verrechnen." Es werde sich nicht die Frage stellen, "wie wir mit dem Asyl umgehen, sondern wie wir mit der Zahl der Asylbewerber umgehen".

Bayern und Baden-Württemberg einigten sich auf einen Entschließungsantrag zur Einwanderung, der am 14. Juli bei der Abstimmung über die Green Card in den Bundesrat eingebracht werden soll. Das bestätigte Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel. In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, unter Beteiligung der Länder ein Gesamtkonzept zur Einwanderung vorzulegen. Unter anderem fordern die unionsregierten Länder, dass die Beschäftigung deutscher Arbeitskräfte Vorrang haben müsse vor der Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten. Ein Einwanderungsgesetz müsse die derzeitige unkontrollierte Zuwanderung verringern und begrenzen. Auch dringt die Union darin auf die Änderung des Asylrechts.