Berliner Zeitung, 26. Juni 2000

Panzer-Export: Entscheidung steht nicht an

Beer nennt Spekulationen "Luftnummer"

Sigrid Averesch

BERLIN, 25. Juni. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen, Angelika Beer, hat Spekulationen zurückgewiesen, wonach der Bundessicherheitsrat am 3. Juli über die Lieferung von 1 000 Leopard-2-Panzern an die Türkei entscheiden werde. "Es gibt keine Hinweise, dass die Entscheidung über dieses Rüstungsgeschäft ansteht", sagte Beer der "Berliner Zeitung". Es gebe dafür auch keinen Entscheidungsbedarf. Einen entsprechenden Zeitungsbericht bezeichnete sie als "Luftnummer".

Beer erklärte zudem, dass es eine Vereinbarung in der rot-grünen Koalition gebe. Danach werde die Zustimmung zu dem Export von Kampfpanzern von der Menschenrechtslage in der Türkei abhängig gemacht. "Ich kann nicht erkennen, dass sich die Lage der Menschenrechte in der Türkei verbessert hat", sagte die Grünen-Politikerin. In diesem Zusammenhang wies Beer auf das laufende Verfahren gegen den türkischen Menschenrechtler Akin Birdal hin, auf die Intervention der Türkei im Norden Iraks und auf die anhaltenden Berichte über Folter in türkischen Gefängnissen. "Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Bundesregierung einem solchen Export zustimmen würde", betonte Beer.

Die "Welt am Sonntag" hatte ohne Angabe von Quellen berichtet, dass der Bundessicherheitsrat am 3. Juli über die Voranfrage des Münchner Rüstungskonzerns Krauss-Maffei-Wegmann entscheiden werde. Sollte die Lieferung verweigert werden, plane die Regierung in Ankara andere Panzermodelle besser zu bewerten. Für diesen Fall fürchte die deutsche Rüstungsindustrie eine internationale Diskreditierung des deutschen Kampfpanzers, schrieb das Blatt.

Finanzielle Probleme in Ankara

Nach Einschätzung des Friedensforschers Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit "läuft der Prozess in der Türkei derzeit eher auf die Frage hinaus, ob die Kampfpanzer überhaupt benötigt werden, statt einen potenziellen Lieferanten wie die Bundesrepublik jetzt zu einer Entscheidung zu zwingen". So stellten türkische Analytiker bereits die Frage, ob die Anstrengungen zur Landesverteidigung angesichts einer möglichen Entspannung mit Syrien nicht eher reduziert werden sollten. Dabei werde ausdrücklich die Modernisierung der Kampfpanzer, aber auch die von Hubschraubern zur Debatte gestellt. Nassauer betonte, dass die Regierung in Ankara entschieden habe, die Modernisierung alter Panzer vorzuziehen. Zudem habe sie erhebliche Probleme, das geplante milliardenschwere Rüstungsprogramm zu finanzieren.

RÜSTUNG Strittige Lieferung // Der Export von 1 000 Kampfpanzern an die Türkei hatte im vergangenen Jahr in der rot-grünen Koalition zu einem Streit geführt.

Der Bundessicherheitsrat stimmte im Oktober 1999 der Lieferung eines Testpanzers zu. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) votierten dagegen.

Die Grünen sind wegen der Verletzung der Menschenrechte in der Türkei strikt gegen das Rüstungsgeschäft. Auch der SPD-Bundesparteitag sprach sich gegen den Export aus.