Stuttgarter Zeitung, 26.06.2000

270 Panzer zu verschenken

Istanbul - Im Streit um das Panzergeschäft mit der Türkei zeichnet sich eine Wende ab. Der Bundessicherheitsrat will am 3. Juli über eine Lieferung deutscher Leopard-Panzer an Ankara entscheiden. Inzwischen haben Amerikaner und Israeli aber Fakten geschaffen, die Ankara veranlassen könnte, womöglich ganz auf die deutschen Kampfpanzer zu verzichten.

Von unserer Korrespondentin SUSANNE GÜSTEN, Istanbul

Mit Unterstützung von Washington und Tel Aviv können die türkischen Streitkräfte in nächster Zeit 270 moderne Panzer zusammenbekommen und erwägen nun, sich die veranschlagten 15 Milliarden Mark für ihr Panzer-Modernisierungsprogramm gleich ganz zu sparen. Damit wäre die rot-grüne Koalition in Berlin ihre Kopfschmerzen und die deutsche Rüstungsindustrie einen begehrten Großauftrag los.

1000 moderne Panzer wollte die Türkei in den nächsten Jahren kaufen, um ihre überholten Modelle ausmustern zu können. Akuter Bedarf bestand vor allem an 250 Stück, die in einer ersten Tranche schon bald geliefert werden sollten. Neben dem Leopard 2 der deutschen Rüstungsfirma Krauss-Maffei-Wegmann gingen der amerikanische Abrams-Panzer sowie Modelle aus Frankreich und der Ukraine ins Rennen um den Zuschlag für den lukrativen Auftrag. Obwohl die türkischen Tests an den Bewerbermodellen noch andauern, ist es ein offenes Geheimnis, dass die Generäle den Leo bevorzugen. Doch das Tauziehen in und mit Berlin um die Exportgenehmigung für den Panzer ging Soldaten wie Politikern in Ankara auf die Nerven: Keinesfalls will die Türkei riskieren, den Leo zu bestellen und dann mit Hinweis auf ihre Menschenrechtspolitik eine Absage zu kassieren.

Aus diesem Dilemma können die Generäle sich jetzt befreien. 170 betagte M-60-Panzer aus türkischen Beständen sollen in Israel überholt und auf den neuesten Stand gebracht werden. Die USA boten dem Bündnispartner zusätzlich die kostenlose Lieferung von 100 Abrams-Panzern an. Mit diesem ,,Geschenk'' will Washington das Gleichgewicht wiederherstellen, das nach der jüngsten Lieferung von deutschen Leos an Griechenland ins Wanken geraten war. ,,Wenn das Angebot der USA angenommen wird, dann wird es keine Überraschung sein, wenn die Panzerausschreibung ganz ins Wasser fällt'', zitierte die türkische Zeitung ,,Milliyet'' aus Verteidigungskreisen.