Frankfurter Rundschau, 23.6.2000

Unter Rot-Grün bleiben Linke im Visier des Verfassungschutzes

Friedensratschlag, Jungdemokraten, PDS und Antifaschisten protestieren gegen ihre Nennung im Geheimdienst-Bericht

Von unserem Korrespondenten

Mehrere dem linken Spektrum zuzuordnende Organisationen wehren sich dagegen, im Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) erwähnt zu werden. Die Proteste haben zugenommen, seit das Bundesinnenministerium von der SPD geleitet wird. Der Inlands-Geheimdienst will aber von seinen Beurteilungen nicht abweichen und wird dabei politisch gedeckt.

Eine der Beschwerden richtet sich dagegen, dass der Arbeitsausschuss Friedensratschlag im aktuellen Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik "Linksextremistische Bestrebungen" aufgeführt ist. Anfragen wurden vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Fritz Rudolf Körper (SPD), mit dem Hinweis beantwortet, die Aktivitäten des 1996 gegründeten Friedensratschlags würden vom Verfassungsschutz "sorgfältig verfolgt". Sie stünden "keineswegs im Einklang mit der von uns politisch verantworteten aktiven Friedenspolitik der neuen Bundesregierung".

Mitglieder des Arbeitsausschusses waren über eine fortdauernde "Diskriminierung der Friedensbewegung" durch die von ihnen gewählte rot-grüne Bundesregierung "enttäuscht". Der Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Konrad Gilges sagte der FR, er halte das Aufführen dieses Zusammenschlusses für "grundlos und überzogen" und merkte an: "Nicht alle, die Bundesregierung nicht nahe stehen, müssen misstrauisch beobachtet werden." Verärgert sind auch die JungdemokratInnen/Junge Linke, weil sie vom BfV als verfassungsfeindliche Organisation beobachtet und eingestuft werden. Die Vorsitzende Julia Schotte bewertete die Nennung als "Strafaktion für den medienwirksamen Protest" gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr in Berlin am 20. Juli 1999. Damals hatten einige Mitglieder des ehemals liberalen Jugendverbandes die Veranstaltung gestört, indem sie entblößt mit Regenschirmen mit der Aufschrift "Tucholsky hatte recht!" herumliefen. Die Jungdemokraten stufen ihre Einordnung als "ständige Partner von Linksextremisten" und "militante Störer staatlicher Veranstaltungen" als "Überreaktion" ein.

Die Grünen-Parlamentarier Christian Ströbele und Christian Simmert nannten die Berichts-Notiz "unberechtigt" und wollen auf parlamentarischem Weg versuchen, "derlei Unsinn zu unterbinden". Das Bundesinnenministerium bot den Grünen zusätzliche Belege für das extremistische Wirken der JungdemokratInnen an.

Empört über die Erwähnung des Bundes der Antifaschisten (BdA) ist dessen Vorsitzender, der PDS-Bundestagsabgeordnete Heinrich Fink. Damit werde "Antifaschismus kriminalisiert", erklärte Fink und warf Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vor, er setze "den geistigen Ansatz seines Vorgängers Manfred Kanther (CDU) ungebrochen fort". Finks Funktion als BdA-Chef ist im amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestags veröffentlicht.

Die PDS, der die Verfassungsschutzbehörden vorhalten, sie dulde "extremistische Strukturen", will erneut versuchen, wenigstens aus dem nächsten Bericht herausgehalten zu werden. Verlangt wird, dass Bundestagsabgeordnete wie Fink und PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch nicht erwähnt werden. Der Verfassungsschutzbericht 1999 enthält ein Zitat Bartschs aus einem Interview: "Die PDS muss eine pluralistische Partei bleiben. Ich bin dafür, dass es Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS gibt und dass die sich einmischen." (hll)