web.de, 22.06.2000 18:42

Belgischer Zoll nach Tod von Flüchtlingen in der Kritik

Innenminister räumt laxe Kontrolle des Tomatenlasters ein

Brüssel (AP)

Der grausame Tod von 58 chinesischen Flüchtlingen auf der Überfahrt von Seebrügge nach Dover hat die belgische Regierung in Erklärungsnot gebracht. Innenminister Antoine Duquesne gestand am Donnerstag im Parlament ein, dass Lastwagen, die einen belgischen Hafen verlassen, nur oberflächlich untersucht würden. Die Zollbeamten, die den niederländischen Tomatenlaster am Sonntag hätten kontrollieren sollen, seien von ihren Kollegen wegen eines Streits mit britischen Hooligans zur Hilfe gerufen worden. Die chinesische Regierung hat sich entsetzt über den Tod der Flüchtlinge geäußert und forderte eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Menschenschmuggel.

Duquesne sagte, Belgien überlasse es weitgehend den britischen Behörden sicher zu stellen, dass keine Flüchtlinge illegal ins Land gebracht würden. Da es sich bei dem Tomatentransporter, in dessen Kühlraum die Chinesen erstickten, um ein niederländisches Fahrzeug gehandelt habe, hätte sich die Kontrolle ohnehin auf die Überprüfung der Wagenpapiere beschränkt. Die Opposition im belgischen Parlament äußerte scharfe Kritik am laxen Verhalten der Zollbehörden. Schließlich sei bekannt, dass die Strecke von Seebrügge nach Dover eine der bevorzugten Schmuggelrouten sei, sagte Erika Thijs von den Christdemokraten.

Unterdessen prüfen britische Ermittler, ob es sich bei den Toten um eine Gruppe von Chinesen handelt, die im April in Belgien aufgegriffen und des Landes verwiesen worden waren. Sie verglichen am Donnerstag die Fingerabdrücke der 60 in Puurs vorübergehend festgenommenen Flüchtlinge mit denen der auf dem Tomatentransporter entdeckten Leichen.

Das chinesische Außenministerium sagte den britischen Behörden jede Unterstützung bei der Aufklärung des Verbrechens zu. Ein Sprecher des Ministeriums kritisierte zugleich, dass die Aussicht auf politisches Asyl im Westen die chinesischen Bemühungen untergrabe, jede Form von Menschenhandel zu unterbinden.

Im Zusammenhang mit dem Tod der chinesischen Flüchtlinge sind mittlerweile fünf Personen festgenommen worden. Neben dem Fahrer des Transporters, dem niederländischen Spediteur, für dessen Unternehmen der Lastwagen unterwegs war, und einem weiteren Verdächtigen nahmen britische Polizisten ein chinesisches Paar aus London fest, das möglicherweise an dem Menschenschmuggel beteiligt war. Vermutlich seien die beiden aber nur Randfiguren, berichtete die Zeitung «The Guardian» unter Berufung auf Polizeikreise.

In Schweden hat der Tod der illegal eingereisten Chinesen die Frage aufgeworfen, wie der Staat besser gegen internationalen Menschenschmuggel vorgehen kann. Die Regierung in Stockholm teilte am Donnerstag mit, sie plane, die Gesetze gegen Menschenhandel zu verschärfen. Nach Angaben der Einwanderungsbehörde hatten rund 70 Prozent der 11.200 Asylsuchenden im letzten Jahr keine gültigen Papiere, was darauf hinweise, dass viele von ihnen mit der Hilfe von Dritten eingereist seien.