taz 21.6.2000

Schutz für Überlebende

Die britische Polizei stellt die beiden Überlebenden von Dover unter Schutz. Über die Organisatoren der Fahrt wird weiter spekuliert

DUBLIN taz/rtr Es war, als ob ein Engel vom Himmel gekommen sei, als die Tür des Kühlcontainers geöffnet wurde. Das sagte einer der beiden Überlebenden der Katastrophe von Dover, bei der am Montag 58 Menschen bei dem Versuch, illegal nach Großbritannien einzureisen, umgekommen sind. Der Mann sagte, als die Luft in dem hermetisch versiegelten und stockdunklen Container immer knapper geworden sei, hätten die Flüchtlinge mit den Fäusten gegen die Tür geschlagen und um Hilfe gerufen, doch auf dem Autodeck der Fähre habe sie auf der Überfahrt niemand gehört.

Die 60 Menschen sind wahrscheinlich aus Südostchina über das Meer in die Niederlande gekommen. Wo sie in den Kühlcontainer gesperrt wurden, ist noch unklar. Seitdem die Reedereien Strafe und die Rückreise zahlen müssen, wenn sie - auch unwissentlich - illegale Immigranten transportieren, seien die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. Die beiden überlebenden Immigranten wurden inzwischen von der britischen Polizei unter Schutz gestellt. Sie hat den Verdacht, dass die Fahrt von professionellen Menschenschmugglern organisiert wurde. Die Polizei äußerte sich aber nicht zu Berichten britischer Zeitungen, Verbrechersyndikate aus China steckten hinter dem Schmuggel.

In den Niederlanden ist allerdings der 24-jährige Arjan van der Spek inzwischen festgenommen worden, wie der britische TV-Sender "Sky News" meldete. Der Lastwagen, in dem die 58 Flüchtlinge starben, war vergangenen Donnerstag auf seinen Namen zugelassen worden. Die Spedition hatte er vor zwei Wochen angemeldet, Sitz der Firma ist van der Speks Elternhaus in Rotterdam.

Der chinesische Anwalt Wahplow Tan, der eine Kanzlei in London betreibt, sagte gestern, drei chinesische Familien hätten Kontakt zu ihm aufgenommen. Sie befürchteten, dass sich ihre Verwandten unter den Toten befinden. Da sie selbst jedoch illegale Einwanderer seien, könnten sie der Polizei nicht bei der Identifizierung der Leichen helfen. Tan forderte Immunität vor Strafverfolgung für diejenigen, die mit den Behörden in dem Fall kooperieren.

"Panorama", das politische Magazin der BBC, hat in einer verdeckten Recherche herausgefunden, dass viele illegale Immigranten als Billigarbeiter auf Bauernhöfen und in Zulieferbetrieben für Supermärkte beschäftigt werden. Der Preiskrieg zwischen den Ladenketten zwinge Lieferanten zu Dumpingpreisen. Sprecher der Supermärkte sagten, dass sie weder davon wüssten noch dafür verantwortlich seien. RALF SOTSCHEK